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2.6.09

HOFgesang

1. Berner HOFgesang 26. Mai – 10. Juni 2009.

Unerhörte Klänge in den ungedeckten und unentdeckten Konzerträumen, lösen in der Stadt Bern ein ungekanntes Hofgefühl aus. Zwei Dutzend Chöre und Schulklassen lassen die unterschiedlichsten Höfe erklingen. Warum machen die Sänger/innen der Stadt den Hof?

Höfe

Innen- und Hinterhöfe nehmen rund ein Viertel des Stadtraums ein. Gerade in den zentrumsnahen Quartieren sind seit den 50er Jahren die meisten unter ihnen nach und nach in Parkplätze umfunktioniert worden. Mit dem Funktionswandel dieser - oft bescheidenen - Freiräume fehlt der zunehmend multikulturell zusammengesetzten Anwohnerschaft der gute Boden für direkte persönliche Kontakte im vertrauten Umfeld. An diesem Mangel kann Integration scheitern. Wer einander nicht kennen lernt, bringt kaum Verständnis für den andern auf, dies kann zu Konflikten führen, an Stelle guter Nachbarschaft.
Erstaunlicherweise waren Qualitäts- und Funktionswandel dieser halböffentlichen Aussenräume bisher kaum ein öffentliches Thema.

Mitte der 70er-Jahre, als der Begriff 'Lebensqualität' Hochkonjunktur hatte, und zwar nicht bloß als Allerwelts-Werbeslogan, als nicht wenige dessen Inhalt auch praktisch erproben wollten, gab es vielerorts Initiativen mit dem Ziel, diese 'Qualität' lebensnah zu interpretieren, mithin auch im Hinterhof.
Bei Bauämtern und andern kommunalen Stellen des In- und Auslands wurden Beratungsstellen für Hinterhofsanierung eingerichtet, so auch in Bern. Teils wurden sie selbst aktiv, öfter haben sie Initiativen von Genossenschaften und Privaten aufgenommen und den 'Sanierungsprozess' mit Rat und Tat unterstützt. Über einen Sanierungsfond wurden etwa auch Projektkosten finanziert.
Dabei sind originelle, heute noch beliebte Umgestaltungen entstanden, aber auch wenig fantasievolle (vor allem Spielplatz-) Möblierungen. Mitte der 80er Jahre sind Sanierungs- und Beratungswille an manchen Orten wieder erlahmt, der Zeitgeist wehte wieder von anderswo.

Parallel zu und unabhängig von dieser 'Hofsanierungswelle' haben einzelne Hofgemeinschaften immer mal wieder zweckentfremdete Höfe in Freiräume verwandelt. Es waren diese echten Rückeroberungen von Boden, auf dem in der Folge Nachbarschaft wachsen und gedeihen konnte, die den Anstoss zur Initiative 'HOFgesang' gaben – die Erfahrung, dass ein gemeinsam genutzter und unterhaltener Raum im unmittelbaren Wohnumfeld eine wesentliche Voraussetzung für ein verständnisvolles Miteinander ist.

Die Initiative HOFgesang möchte nun etwas Bewegung in die HÖFliche Flaute bringen, einen Denkanstoss geben, einen Impuls zur Aufwertung der Höfe.

Der HOFgesang lädt alle Akteure zum Dialog ein. Mieter, und Vermieter, Liegenschaftsverwaltungen und Verbände werden ermuntert, gemeinsam Wege zu suchen, wie diese wertvollen Räume vermehrt als Orte der Begegnung gestaltet und genutzt werden können. Seitens der Stadtverwaltungen ginge nun es darum, wieder an die Erneuerungsmassnahmen der 70er Jahre anzuknüpfen, nicht als blosse Verschönerungsaktion, sondern als Angebot der Guten Dienste für eine artgerechte Haltung der Stadtmenschen – denn diese haben ein vitales Bedürfnis nach Höfen zum Entdecken, Lauschen, Sich-berauschen, Lachen, Streiten und Ruhen, zum Leben eben. In vielen Fällen wäre mit verhältnismässig geringem Aufwand viel zur erreichen. Allein schon der bewusste Umgang mit der gemeinsamen Nutzung kann sich positiv auswirken auf nachbarschaftliche Beziehungen, auf die Identität als Teilhaber an einem gemeinsamen Gut.
Der Hofgesangsverein bietet interessierten Kreisen eine beratende Begleitung solcher Aufwertungsvorhaben an.

HOFgesang möchte einen Beitrag zur Quartierentwicklung leisten, als Vermittler zwischen den Kulturen und als Kulturvermittler.

Chorgesang

Um die Gemüter zu bewegen, gehen die HofsängerInnen einen naheliegenden Weg: Sie bewegen sich selber – unter die Balkone und Küchenfenster – und liefern ihre Gesänge frei Hof. So wird Chorgesang der breiten Bevölkerung, insbesondere auch der nicht Konzert-gewohnten, nahegebracht. Gerade Kinder und Jugendliche in nicht optimalen Wohnverhältnissen sollen live erleben, dass es für sie eine Gesangskultur diesseits der Mattscheibe gibt, dass Singen befreit und vereint. Mit Chorgesang lassen sich Schranken und Gartenhäge mühelos wegsingen. HOFgesang ist die schönste Art, einen lauen Stadt-Sommerabend zu feiern. Eine einmalige Gelegenheit das regionale Chorschaffen in seiner ganzen Breite und Vielfalt kennen zu lernen. DIE Chance, aus der Vielfalt DEN Chor kennen zu lernen, mit dem zusammen man die eigene Stimme erheben möchte.

Die Chöre selber können darüber hinaus als Modelle für gelebte Nachbarschaft stehen.

Andreas Diethelm, Hofgesangsverein
www.hofgesang.ch

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