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2.8.06

Peter Schiltknecht Hotel Bern

«Ich brauche keine Ferien»: Das Arbeitsleben von Hoteldirektor Peter Schiltknecht (56), Hotel Bern.

«Als Hotelmanager muss ich delegieren können. Und ich muss in jeder Situation ruhig bleiben. Das kommt meist mit der Erfahrung respektive mit dem Alter. Vor 25 Jahren habe ich auch hin und wieder im Hotel herumgeschrien. Das mache ich heute nicht mehr. Ich entferne mich lieber, wenn es kritisch wird – und lasse mich erst wieder blicken, wenn ich mich beruhigt habe. Auch wenn ein Gast mit rotem Kopf auf mich zukommt, muss ich ruhig bleiben. Ich vertrete die Haltung, dass der Gast König ist. Der Gast hat immer Recht. Denn ohne ihn braucht es uns nicht. Es gab Zeiten, da habe ich in meinem jugendlichen Übermut auch Gäste vor die Tür gesetzt. Das würde ich nicht mehr tun.

Mein Arbeitstag beginnt unregelmässig. Manchmal bin ich morgens bereits vor 6 Uhr im Hotel. An anderen Tagen wird es später. Als Erstes erledige ich die angefallene Büroarbeit. Bereits um 11 Uhr esse ich zu Mittag und bin dann während der ganzen Mittagszeit im Service. Im Restaurant helfe ich, wo ich kann. Ich bediene die Gäste und erkundige mich nach ihrem Wohlergehen. Ich gehöre im Arbeitsalltag bereits zur älteren Generation. Ich habe noch gelernt, dass man als Chef den Mitarbeitenden ein Vorbild sein soll. Am Nachmittag bin ich dann wieder im Büro. Auch die Sitzungen finden meistens am Nachmittag statt. Wir machen aber keine riesigen Sitzungen, sondern ich treffe mich bilateral mit einzelnen der 80 Mitarbeitenden, beispielsweise dem Küchenchef, dem Chef de Réception oder dem Chef Verkauf.

Alle Personalbelange erledige ich zusammen mit meiner Sekretärin. Ich bin also auch Personalchef. Einen Food-and-Beverage-Manager haben wir nicht. Die Speisekarten-Gestaltung und die Auswahl des Angebots bespreche ich zusammen mit dem Küchenchef. Wir pflegen eine flache Hierarchie. Dabei soll das Personal möglichst viele Kompetenzen haben. Ich beobachte, und wenn es nicht in den richtigen Bahnen läuft, greife ich unter Mithilfe der einzelnen Kaderleute ein. Mein grosser Wille ist, dass wir ein Team sind. 25 Mitarbeiter arbeiten in der Küche, 20 in der Reinigung, 20 im Service, und der Rest verteilt sich über Büro und Réception. Meine Kernaufgabe ist, den ganzen Kuchen zusammenzuhalten.

Unser bekanntester Gast ist Frau Bundesrätin Micheline Calmy-Rey. Sie bewohnt ein Appartement. Der Kontakt ist offen und herzlich, man trifft sich ab und zu, aber man sucht sich nicht. Ich stelle mich nicht in den Vordergrund. Wichtig ist, dass das Hotel Bern Erfolg hat. Klar. Eingefädelt habe ich den Aufenthalt von Frau Calmy-Rey. Auch mit anderer so genannter Prominenz läuft das über mich. Sind die Konditionen einmal festgelegt, lasse ich das Rösslein springen. Dann schaut das Personal zu den Gästen.

Durch meine Wenigkeit ist das Hotel Bern zum Sportler-Hotel geworden. Das hat vor 16 Jahren mit der Fussballnationalmannschaft angefangen. Ich hatte enge Kontakte zum damaligen Trainer Uli Stielike. Vor dem EM-Qualifikationsspiel im Wankdorf suchte er ein Hotel für die Mannschaft in der Stadt. Noch heute übernachten die Spieler der Nati bei uns, wenn die Mannschaft in Bern ist. Auch unser Küchenchef ist in diese Kreise gerutscht. Emil Bolli wurde zum Mannschaftskoch der Fussball-Nati. Er war mit dem Team jetzt auch an der WM in Deutschland.

Auch mit den Mannschaften von YB und SCB haben wir spezielle Übernachtungskonditionen vereinbart. Das Grösste für mich: Ich schaue mir fast jedes Heimspiel des SCB und von YB an. Die Zeit dafür nehme ich mir, und im Hotel wissen sie Bescheid, dass ich in dieser Zeit nicht erreichbar bin. Als Sportler-Hotel zu gelten, hat auch seine Nachteile. Viele Vereine kamen auf uns zu und wollten spezielle Konditionen aushandeln. Dem muss man einen Riegel schieben.

Die Eigentümerschaft des Hotel Bern hat für uns auch so ihre Tücken. Das Hotel ist als Volkshaus AG organisiert, und Hauptaktionärin ist die Gewerkschaft Unia. Einige bürgerlich denkende Menschen kommen explizit nicht zu uns. Das ist eine Schwierigkeit für uns, und ich finde das unfair. Ich selber gehöre keiner Partei an.

Das Treuhandbüro Zivag erledigt für uns die Buchhaltung, aber ich trage natürlich die Verantwortung. Wir treffen uns je nach Bedürfnis. Im Jahr habe ich vier Sitzungen mit dem siebenköpfigen Verwaltungsrat. Alle zwei bis drei Wochen treffe ich mich mit unserem Verwaltungsratspräsidenten Werner Funk.

Als ich vor zehn Jahren noch keine Familie hatte, habe ich in der Wohnung, wo jetzt Frau Calmy-Rey wohnt, übernachtet. Damals hatte ich Mühe, vom Arbeitsalltag abzuschalten. Jetzt ist das anders. Wenn ich nach Hause nach Wohlen fahre, denke ich nicht mehr an meinen Job. Arbeit und Freizeit lassen sich gut trennen. Jetzt passiert es sehr selten, dass ich am Abend noch bis 10 oder 11 Uhr im Hotel bin. Ich brauche keine Ferien. Da ich abends schon um 4 Uhr oder 5 Uhr wieder nach Hause gehe, habe ich den nötigen Ausgleich zum Beruf. Sonntag ist ein heiliger Tag. Da gehe ich nur ein bis drei Stunden arbeiten. Dann verbringe ich die Zeit mit meinen beiden Söhnen und meiner Frau. Auch samstags bin ich kurz im Hotel: Ich komme gegen 8 und gehe dann um 2 oder 3 Uhr nach Hause.

Hotelier sein war immer ein Traumberuf für mich. Es stinkt mir nie, zur Arbeit zu gehen. Ich habe über den Beruf ein wunderbares Hobby. Andere machen aus dem Hobby ihren Beruf. Auch im nächsten Leben würde ich wieder das Gastgewerbe als Einstieg wählen. Ich habe zuerst in Winterthur Koch gelernt, dann die Hotelfachschule in Lausanne besucht. Nun bin ich seit 20 Jahren und 3 Monaten Direktor vom Hotel Bern. Zuvor war ich 5 Jahre lang Direktor im Hotel Spinne in Grindelwald. Im Jahr 2014 wird das Hotel Bern 100 Jahre alt und ich 65. Wenn ich bis dann noch als Direktor arbeiten könnte, wäre das grossartig.»

www.espace.ch Nicole Tesar 01.08.2006

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