Berner Wanderwege - Ein 10'000-Kilometer-Abenteuer
Manche ziehts jetzt ans Wasser, andere in die Berge zum Wandern. Der Verein Berner Wanderwege und sein Heer von Freiwilligen hegt und pflegt die kleinen gelben Zeichen und die tadellos beschrifteten Wegweiser.
Ausserirdische landen in Frankreich oder Italien oder Spanien. An den Bäumen entdecken sie geheimnisvolle Zeichen. Bis zu fünf solche Symbole sind (über- und nebeneinander) in einen Stamm eingeritzt, auf einen Stamm aufgemalt oder gesprayt. Mal sinds Kreuzchen, mal Striche, mal Kreise. Die Gäste aus dem All lassen sich von den mystischen Zeichen führen. Doch plötzlich verschwinden die Symbole, der Weg führt ins Nichts.
Ganz anders geht es jenen Ausserirdischen, die in der Schweiz landen. An den Bäumen finden sie aufgemalte gelbe Rhomben. Die sind immer exakt gleich gross. Sie folgen ihnen auf tadellos präparierten Pfaden. Diese münden in immer neue, von Schildern beschriebene Wege. So haben sie vor dem Rückflug ins All das ganze Land kennen gelernt, während die Kollegen in Spanien, Frankreich oder Italien in irgendwelchen Büschen oder Bachbetten hängen geblieben sind.
Das Netz
Sie haben es gemerkt: Dieses kleine Märchen ist ein Loblied auf das Schweizer Wanderwegnetz. Wer immer im Ausland Wanderferien machte – oder machen wollte –, stimmt dieses Lied an. Die Wanderwege in der Schweiz bilden ein wohl organisiertes Netz von 62'000 Kilometern. Etwa ein Sechstel dieser Strecke führt durch den Kanton Bern. Hier sind es über 1200 Routen, die zusammen über 10'000 Kilometer lang sind (siehe Grafik). Um die Markierung und den Ausbau kümmert sich seit 1937 der Verein Berner Wanderwege (BWW). Dort arbeiten bloss acht fest Angestellte, dafür aber ein Heer von Freiwilligen in den drei Kreisen Mittelland, Oberland und Jura-Seeland.
Die Klebstreifen
Den drei Kreisleitern sind 78 Bezirksleiter unterstellt. Jeder von ihnen betreut eine Wegstrecke von 100 bis 200 Kilometern – ehrenamtlich. Der Bezirksleiter sorgt dafür, dass die gelben Rhomben jedes Jahr aufgefrischt werden. Dies tut er nicht etwa mit einer Schablone. Er befestigt ein Klebeband in Grösse und Form des Normrhombus am Stamm. Dann malt er die Form mit einem Pinsel aus. Das Gleiche gilt für die weiss-rot-weiss markierten Bergwanderwegzeichen, die ebenfalls die BWW betreuen. «Alle anderen Methoden haben sich als untauglich erwiesen», sagt Oberland-Kreisleiter Bruno Maerten.
Die Geschwindigkeit
Die Bezirksleiter halten auch die Wegweiser instand. Auch hier gibts keine Zufälligkeiten: Für jeden Wegweiser gibts ein Blatt, auf dem steht, zu welcher Kategorie er gehört, wie er beschriftet sein und in welche Richtung er weisen muss. So füllen die 11'000 Wegweiser 78 Ordner, die im BWW-Hauptsitz an der Moserstrasse in Bern gelagert werden. Übrigens: Die auf den Wegweisern angegebenen Zeiten werden per Tabelle errechnet. Diese geht von einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 4,2 Stundenkilometern aus und bezieht die Höhendifferenz mit ein.
Für den Wegunterhalt sind die Gemeinden zuständig. Der Verein Berner Wanderwege ist das Kontrollorgan. Jede Route müssen die Bezirksleiter mindestens einmal im Jahr bewandern und schauen, ob alles in Ordnung ist. Allein schon für die Markierungen werfen die BWW über 400'000 Franken im Jahr auf. Eine wichtige Einnahmequelle sind die Beiträge der 11'000 Mitglieder.
Die Geburt
Kreisleiter Bruno Maerten plant auch neue Wanderrouten. Dies ist keineswegs eine Hauruckübung. Zuallererst muss die gewünschte Strecke ins bestehende Routennetz passen. Dann wird mit den betroffenen Grundeigentümern verhandelt. Von ihrem Goodwill hängt viel ab, schliesslich erhalten sie keine Entschädigung, wenn ein Wanderweg über ihren Grund führt. Im Weiteren wird abgeklärt, ob ein Vorschlag bei den kantonalen Fachstellen überhaupt eine Chance hat. Erst dann wird das Baugesuch eingereicht. Sogar für die Aufhebung eines bestehenden Wanderwegs brauchts ein offizielles Gesuch.
Die Zahl der Routen im Kanton Bern stagniert. «Wir setzen auf Qualität statt auf Quantität», sagt Bruno Maerten. So werden zurzeit viele bestehende Wanderrouten von Teerstrassen auf Wege mit natürlicher Oberfläche verlegt.
Die Trends
Wandern liegt gerade wieder mal im Trend. Grosser Beliebtheit erfreuen sich lange Routenwanderungen wie der Jakobsweg oder der Weg der Schweiz. Im Kontrast dazu boomt auch Nordic Walking, das über kurze Distanzen führt. Zudem gibts immer mehr Pauschalangebote, die Wandern als Erlebnispaket verkaufen. So wird eine Wanderung gerne mit einer Panoramafahrt verknüpft, mit einer Fahrt auf der Rodelbahn oder mit einem Gourmetausflug.
www.espace.ch Katharina Merkle 22.07.2006
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