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18.2.06

«Vertrauensbank der SS» - Dresdner Bank im «3. Reich»

Die Dresdner Bank war einer neuen Studie zufolge an der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden wesentlich stärker beteiligt, als bisher zugegeben. Das geht aus einer Studie unter Federführung des Dresdner Zeithistorikers Klaus-Dietmar Henke hervor, die am Freitag in Berlin vorgestellt wurde. Die Bank habe bei der «Arisierung» der Vermögen von Juden aktiv mitgemacht, als «Vertrauensbank der SS» den Bau des Vernichtungslagers Auschwitz mitfinanziert und hohe Profite aus der Expansion des Dritten Reichs im Osten erzielt.

Durch die Nähe zum «mörderischen Hitlerstaat» sei «die klare Mittäterschaft» der Bank an dessen Verbrechen vorgezeichnet gewesen, sagte Henke. Nach der Machtergreifung der Nazis rückten zwei überzeugte Nationalsozialisten in den Vorstand. Anders als später immer wieder dargestellt, habe der gesamte Vorstand eine enge Zusammenarbeit mit den Nazis aus Opportunismus oder Eigeninteresse gewollt. «Die Bank war Täter und nicht Opfer», betonte der Historiker.

«Wir akzeptieren die Wahrheiten, auch wenn sie uns wehtun», sagte Bankvorstand Wulf Meier. Mit der Studie übernehme das Institut «die moralische Verantwortung für ihr Handeln». Daraus folgten aber keine weiteren Entschädigungszahlungen. Er wies daraufhin, dass die Bank zu den Gründern der Stiftung für die NS-Zwangsarbeiter gehört. Die von der Bank in Auftrag gegebene und mit 1,6 Mio. Euro finanzierte Studie entstand in achtjähriger Arbeit. Die Bank habe zu lange über die Tragweite ihrer Beteiligung am NS-System geschwiegen und sich erst nach starkem öffentlichen Druck 1997 zu einer weiter reichenden Untersuchung bereit erklärt, sagte Vorstandsmitglied Meier. Die Studie soll auch den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden.

Laut Henke waren viele Finanzinstitute an der Rüstungs- und Kriegswirtschaft der Nazis beteiligt. Die Dresdner Bank habe aber «im ideologischen Kernbereich nationalsozialistischer Politik» agiert. So sei die Bank der führende Finanzdienstleister der obersten Raub- und Besatzungsbehörden in Polen gewesen und habe massgeblich Unternehmen finanziert, die unter anderem am Aufbau des Vernichtungslagers Auschwitz beteiligt waren.

«Die Komplizenschaft mit dem NS-Regime war breiter und intensiver, als bisher bekannt», erläuterte auch der Historiker Johannes Bähr (Berlin). Allein an die SS vergab die Dresdner Bank Kredite in Höhe von umgerechnet 160 Mio. Euro. Hinzu kamen Kontoguthaben von SS-Mitgliedern in etwa gleicher Höhe. «Die SS galt als Kunde mit Potenzial», sagte Bähr.

Innerhalb der Bank setzte der Vorstand die antisemitische Politik durch. Die jüdischen Mitarbeiter, etwa fünf Prozent der Belegschaft, seien entlassen worden. Die Zahlung von Betriebsrenten wurde nach der Deportation mit der Begründung eingestellt, die ehemaligen Mitarbeiter würden ohnehin nicht überleben, berichtete der Bochumer Historiker Dieter Ziegler.

Die Dresdner Bank habe auch stark von der deutschen Expansion nach Osteuropa profitiert. Die osteuropäischen Bankfilialen trugen massgeblich zum guten Konzernergebnis bei, sagte der Historiker Harald Wixforth (Bielefeld). Je östlicher die Niederlassungen lagen, umso enger seien die Bankgeschäfte mit der Besatzungspolitik verknüpft gewesen. Hitlers Eroberungszug ab 1938 habe der Deutschen und der Dresdner Bank einen Ausbruch aus der geschäftlichen Enge des Altreichs ermöglicht, sagte Henke.

Bankenvertreter sowie die Historiker bekräftigten, dass die Arbeit an der 2.400 Seiten umfassenden Untersuchung «Die Dresdner Bank im Dritten Reich» (R. Oldenbourg Verlag) zu keinem Zeitpunkt von den Geldgebern beeinflusst wurde. Kein anderes Unternehmen habe ihre Vergangenheit so gründlich durchleuchten lassen, sagte Henke. Andere Unternehmen sollten dem Beispiel folgen und sich ihrer Geschichte stellen. Er nannte dabei die deutschen Sparkassen, «die seit 60 Jahren die Hände in den Schoss legen, obwohl sie am allerdicksten mit den Nazis verfilzt waren».

N24.de, Netzeitung 17.02.2006

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