g26.ch

17.2.06

Scheibenwischer - Witz und Leitkultur

Der Karikaturenstreit hat das Kabarett erreicht.

Ein Gespräch mit dem Rentner Dombrowski alias Georg Schramm von Katharina Schuler

Eigentlich wollten sie am liebsten ja gar nichts mehr sagen, die drei Kabarettisten vom Scheibenwischer und ihr Gast Arnulf Rating. «Wegen der Situation mit den Karikaturen, Sie verstehen». Die hat sich nämlich mittlerweile so zugespitzt, dass Mathias Richling schon ängstlich zusammenzuckt, wenn Bruno Jonas das Wort Religionsbeleidigung nur in den Mund nimmt. Aber weil es im Fernsehen nun mal nicht so gut kommt, wenn man gar nichts sagt, reissen sie sich dann doch zusammen, und lassen räsonierend die Themen der letzten Wochen Revue passieren, auch den Karikaturenstreit selbstverständlich.

«Das Thema musste rein», sagt Georg Schramm, als er nach der Sendung am Dienstagabend erschöpft und ohne Narrenkappe bei einem Bier in seiner Garderobe sitzt. Das gebiete die Solidarität mit den Satireschaffenden der Welt. Die Karikaturen mögen schlecht, die dänische Zeitung rechtslastig gewesen sein, aber das rechtfertige nicht die Welle der Gewalt, die sie auslösten. Hier müsse man als Kabarettist Stellung beziehen, sagt Schramm und nutzt die Gelegenheit für einen Seitenhieb gegen den Hauptkonkurrenten um Sendezeit, Harald Schmidt. Dessen «ich sag dazu nichts» sei ihm zu wenig. Für Schramm geht’s ums Grundsätzliche. «Wenn wir hier wanken, dann machen wir bald auch nicht mehr den Mund gegen Neonazis auf.»

Dass die Scheibenwischer-Kabarettisten die Bereitschaft, über sich selbst lachen zu können, allerdings nicht nur von der fremden Kultur einfordern, unterscheidet ihr Programm wohltuend von mancher anderen Form der Verteidigung der Karikaturen, die man in den letzten Wochen erleben konnte. So nahm Schramm in seiner Karnevalspersiflage denn auch erst mal den eigenen, urdeutschen Humor unter die Lupe und prangerte dessen Obrigkeitshörigkeit an. «Was haben wir früher gerne gelacht, war'n voller Humor an Fasenacht, Emanzen, Türken, Schwule und Grüne, das war die alte deutsche Schule», reimte er angetan mit Pappnase und Jeckenkostüm. Aber selbstverständlich gibt es auch für die deutsche Lustigkeit Grenzen: «Der Papst und unser Präsident – da war uns jede Schmähung fremd.» Der Karnevalist auf der Bühne stellt selbstzufrieden fest: «Wir reden Fraktur, denn unser Witz bleibt Leitkultur.»

Und so kriegen sie alle ihr Fett weg. Diejenigen, die Toleranz vor allem dann besonders laut einfordern, wenn es um die Befindlichkeiten anderer geht, und diejenigen, die meinen, ein paar Karikaturen gäben ihnen das Recht, Botschaften anzuzünden und Morddrohungen auszusprechen. «Wir könnten die Bundeswehr doch auch im Kampf gegen die Karikaturen einsetzen», sagt Rating in einer Nummer, in der es eigentlich um die Fussballweltmeisterschaft geht. «Die Soldaten bekämen kleine Bömbchen auf den Kopf, um aller Welt zu demonstrieren, zu welcher Toleranz, Meinungsfreiheit und Selbstironie wir fähig sind.» Jonas lacht betont vorsichtig und schlägt vor, dann müsse man aber auch auf die Hemden draufschreiben «Verstehen sie Spass?» «Ja, Spass mit SS», sagt Rating und Jonas zuckt zusammen, das ginge nun aber wirklich zu weit. «Na ja, wegen der Rechtschreibreform», erklärt Rating und Jonas zufrieden: «Ach so, na dann ist es okay.»

Da sind sie wieder, die Grenzen dessen, was noch als spassig gelten darf. «Das ist Gefühlssache», sagt der unverkleidete Schramm nach der Sendung. Das müsse man von Fall zu Fall ausprobieren. Kippen könne das Ganze zum Beispiel, wenn man sich durch überzogene Schärfe ins Unrecht setze. «Das gibt dann so einen Mitleidseffekt.»

Die grosse Empfindsamkeit bei allem, was mit Religion zu tun hat, ist für den bekennenden Atheisten Schramm allerdings schwer nachzuvollziehen. «Das hat für mich etwas anachronistisches.» Wenn er entscheiden muss, was geht und was nicht, hält er sich deswegen gerne an die Devise seines Vorgängers Dieter Hildebrandt. «Wenn Hildebrandt das Gefühl hatte, es handele sich bei einer umstrittenen Stelle nur um eine Geschmacklosigkeit, dann hat er gesagt: Das kannst du rausnehmen, dadurch verliert deine Nummer keine Qualität. Wenn er aber das Gefühl hatte, es geht um Schärfe, dann hat er dafür plädiert, es drinzulassen.»

Religion braucht den frontalen Angriff, um sich zu zivilisieren, glaubt Schramm. Wäre etwa die Katholische Kirche so friedfertig, wie sie sich heute gerne gibt, wenn ihr nicht durch Reformation, Aufklärung und Säkularisierung «mehrere Zähne gezogen worden wären»?

Und deswegen lässt er den Rentner Dombrowski am Ende des Programms auch noch mal ganz grundsätzlich werden. Ein bisschen leitartiklerisch ist er dabei, so wichtig ist ihm die Botschaft, die er loswerden will. Auch hierin erweist Schramm sich als getreuer Anhänger Hildebrandts, dem es mitunter ebenfalls wichtiger war, Stellung zu beziehen, als dies in besonders gefälliger Form zu tun. Dass alle Offenbarungsreligionen eine dunkle Seite hätten, die zu überwinden ihre immerwährende Aufgabe sei, erklärt ein finster dreinblickender Rentner, den Lederhandschuh wie stets auf den Magen gepresst. Fundamentalismus sei eben gefährlich, egal aus welcher Richtung er herangeschwappt komme.

Mit den Regeln der Vernunft gemessen ist das Scheibenwischerprogramm viel zu ausgewogen und selbstkritisch, als dass die Macher befürchten müssten, nun mit ähnlichen Drohungen konfrontiert zu werden, wie dies einigen Karikaturisten bereits passiert ist, die sich nicht mehr trauen, in ihren Wohnungen zu leben oder unter ihrem richtigen Namen zu veröffentlichen. Doch mit Rationalität hatte der Verlauf der Debatte ja auch bislang wenig zu tun. Noch sei Angst für ihn kein Thema in dieser Auseinandersetzung, sagt Schramm gleichwohl. Bedroht hat er sich, wenn überhaupt, bislang ohnehin eher aus dem rechtsradikalen, nicht aus dem religiösen Milieu gefühlt. Ein paar böse E-Mails müsse man schon mal aushalten.

Sollten die Zeiten härter werden, hat er sich jedenfalls schon mal ein Vorbild ausgeguckt, einen Mann, der bewiesen hat, dass Satire selbst unter lebensbedrohlichen Umständen noch möglich ist. Es ist der Kabarettist Werner Fink, der bei einer Aufführung in den 30er Jahren zu einem Gestapo-Mann sagte: «Kommen Sie mit, oder soll ich mitkommen?» Da bleibt nur noch, den deutschen Humoristen aller Gattungen zu wünschen, dass so viel Mut niemals mehr nötig sein wird.

© ZEIT online Katharina Schuler 16.2.2006

Powered by Blogger