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15.2.06

Paradies auf Abruf

Palmöl oder Tropenholz? Regierungsprojekt gefährdet Indonesiens letztes grosses Urwaldgebiet auf Borneo

Wirtschaftsinteressen gegen Bewahrung der natürlichen Ressourcen – selten war diese Frontlinie deutlicher ausgeprägt als bei der öffentlichen Debatte, die seit einiger Zeit in Indonesien geführt wird. Seit Sommer vorigen Jahres treibt das Wirtschaftsministerium in Jakarta ein Megaprojekt voran, das unabsehbare ökologische Folgen hat und das letzte noch verbliebene grosse Stück tropischen Regenwaldes in Südostasien gefährdet. Was die einen als Investition in die Zukunft sehen, die einer rückständigen Region Entwicklung und Arbeitsplätze bringt, könnte nach den Warnungen der anderen mittelfristig der Todesstoss für Indonesiens «grüne Lunge» sein. Entsprechend gross ist die Zahl der Kritiker, die beständig zunimmt.

Gefährdet sind auch die Borneo-Zwergelefanten und die grösste noch verbliebene Population an Orang-Utans. Dies sind nur zwei Beispiele aus der riesigen Vielfalt einer einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt, die es im indonesischen Urwald auf der grossen Insel gibt. So mannigfaltig wie hier sind Fauna und Flora kaum mehr anderswo auf dem Globus, nicht einmal am Amazonas. Ein Naturparadies, das ohnehin schon gefährdet ist. Brandrodungen der Bauern und meist illegaler Einschlag durch jene, die mit Tropenholz Geschäfte machen, gefährden das Naturparadies ohnehin. Alljährlich verschwindet in ganz Indonesien nach Schätzungen des World Wide Fund for Nature (WWF) eine Urwaldfläche, die mit zwei Millionen Hektar halb so gross ist wie die Niederlande. Wenigstens das verbleibende Gebiet auf Borneo gelte es nun zu schützen.

Durch dieses Dschungelgebiet nun will die Regierung im Verbund mit chinesischen Investoren eine fünf Kilometer breite Schneise schlagen. 2000 Kilometer lang, immer genau südlich der Grenzlinie, die den malaysischen Teil der Insel im Norden vom indonesischen im Süden trennt. Das Projekt sieht vor, dort mit einer Palmöl-Plantagenwirtschaft zu beginnen. Seitens der Politik ist womöglich schon alles unter Dach und Fach: Als sich Indonesiens neuer Präsident Susilo Bambang Yudhoyono im Juli 2005 in Peking aufhielt, wurden diverse zwischenstaatliche Vereinbarungen unterschrieben. Ob nun bei dieser Gelegenheit die Verantwortlichen ihre Namen darunter gesetzt haben oder nicht – die Vermutung liegt nahe, dass auch über das Megaprojekt im Urwald Borneos zumindest gesprochen wurde. Anders wäre es kaum zu erklären, dass unmittelbar nach dem Besuch die Vorbereitungen in den Ministerialstuben und noch stärker vor Ort vorangetrieben wurden.

Acht Milliarden US-Dollar Investitionssumme, eine Million neu entstehende Jobs – für die Politiker ist allein dies Grund genug, das Projekt zu forcieren. Das Engagement der chinesischen Partner könne für eine der ärmsten und benachteiligsten Regionen des Landes nur ein echter Glücksfall sein. Fragwürdig aber ist der Vorstoss aus dem Wirtschaftsministerium allemal. Denn wie die Agrarverwaltung Analysen der Umweltschützer bestätigt, ist der Abschnitt der Insel für den massenhaften Anbau von Ölpalmen kaum geeignet. Es handelt sich um bergiges Gelände – die Bäume allerdings wachsen am besten im Flachland. Kaum ein Zehntel des 10 000 Quadratkilometer umfassenden Streifens komme hinsichtlich Wirtschaftlichkeit für Ölpalmen in Betracht, so ein hochrangiger Ministerialbeamter vor Journalisten in Jakarta.

Was also steckt wirklich hinter dem Projekt? Für Umweltschützer ist es der Zugriff auf hochwertige Tropenhölzer im Innern des Waldgürtels. Wo derzeit nur einige Schmugglerbanden ihr Unwesen treiben, könnte Holzfrevel bald in weitaus grösserem Ausmass stattfinden. Einschlag allein um des Holzes willen nicht nur jenseits staatlicher Kontrolle, sondern sogar mit dem ausdrücklichen Segen, ja dem aktiven Mittun der Regierung. Milliardenprofite winken den primär Beteiligten, während sich die indonesische Gesellschaft im Gegenzug auf ebensolche Schäden einrichten kann, wenn die gegenwärtigen Planungen tatsächlich umgesetzt werden. Von negativen Auswirkungen von gut 20 Milliarden Dollar über zehn Jahre ist in den Schätzungen der Umweltschützer die Rede. Dazu gehört nicht nur der Verlust von Tropenhölzern und der ohnehin nicht in Geld zu beziffernden Artenvielfalt. Zerstört wird auch die traditionelle Lebensgrundlage der lokalen Stammesbevölkerung, die in vielfältiger Weise vom Urwald abhängig ist. Nicht auszudenken wären auch die längerfristigen Auswirkungen einer Abholzung dieser Grössenordnung auf das Weltklima, mahnen Öko-Aktivisten. Noch sei es allerdings nicht zu spät, die waghalsigen, geradezu hochgefährlichen Pläne ad acta zu legen.

www.jungewelt.de Thomas Berger 15.02.2006

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