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5.2.06

Wer bestimmt, wieviel ein Gemaelde wert ist?

Luxurioes oder lapidar

In ihrem spannenden Buch analysiert Katja Blomberg den Kunstmarkt und seine Mechanismen. Die Kunsthistorikerin beschreibt, wie das Wechselspiel zwischen Künstlern, Galeristen, Sammlern und Auktionatoren die Preise für Bilder in die Höhe treibt und Trends in der Szene verstärkt.

Konsumzurückhaltung und Zukunftspessimismus - auch auf dem Kunstmarkt? Verunsicherung macht es Kunstfreunden zur Zeit schwer, sich für einen Kauf oder einen bestimmten Künstler zu entscheiden.

Was sollen sie davon halten, wenn einerseits jeder Preis bezahlt wird, sobald grosse Namen mit ihren Meisterwerken bei Christie's, Sotheby's oder Philips auftauchen, andererseits anerkannten Künstlern der klassischen Moderne nur moderate Schätzpreise zuerkannt werden, während junge Zeitgenossen wie die Mitglieder der Leipziger Schule um Maler Neo Rauch auf Auktionen fulminante Preise erzielen? Da kommt Katja Blombergs Buch «Wie Kunstwerte entstehen» gerade recht: Die 1956 in Hamburg geborene Kunsthistorikerin und Journalistin, zur Zeit Leiterin des Berlin-Zehlendorfer Museums «Haus am Waldsee», hat intensiv recherchiert und breitet ihre Ergebnisse übersichtlich aus. Sie zählt nicht nur auf, was der Kunstmarkt heute hergibt, sondern fragt Künstler, Galeristen und Auktionatoren: Wie kommt es zur Wertschöpfung von Dingen, die, so die Berliner Künstlerin Swetlana Heyer, «ultimative Luxusprodukte» sind, eigentlich überflüssig, und trotzdem gesammelt werden?

Blomberg porträtiert Sammlerpersönlichkeiten, erläutert deren Handlungsmotive und stellt die daraus resultierenden Trends auf dem Markt vor - in der Regel von Galeristen gezielt verstärkte Strömungen, vor allem wenn die Händler bei einem Künstler einen Wiedererkennungseffekt, eine neue Ikonographie, zu erkennen glauben.

So wird den erwähnten Leipzigern ihre «Kraut-Art» ( «Krauts» für Germans) auf internationalen Ausstellungen aus den Händen gerissen. Schon gibt es Wartelisten. Andererseits waren im Herbst 2004 immerhin 18 Gemälde von Neo Rauch auf dem freien Markt zu haben. Die Erklärung für diesen scheinbaren Widerspruch: Die inzwischen sehr teuren Bilder sind als Spekulationsware von Hand zu Hand gegangen, weil offensichtlich deren Erstbesitzer der Verlockung nicht widerstehen konnten, die Preissteigerungen auf den New Yorker Herbstauktionen von 2004 als Rendite mitzunehmen. So wurden bei Christie's 186 700 US-Dollar für ein Rauch-Gemälde aus dem Entstehungsjahr 2000 gezahlt - ein treffliches Beispiel dafür, wie Kunst zur Handelsware wird.

Es ist ein aufschlussreicher, spannender Lesestoff, wie die Autorin die Handlungsweise von einzelnen Grosssammlern wie Friedrich Christian Flick oder Ingvild Goetz oder der Deutschen Bank als kapitalkräftiger, auf ihr Image bedachter Institution analysiert. Im Fall Flick bleiben dennoch offene Fragen: Hat Flick durch seine Grosseinkäufe den Markt so geprägt, dass aus den jungen Künstlern, die er sammelte, Stars der Szene werden konnten? Sind also die Werte der in der Sammlung vertretenen Künstler momentan deshalb so fest, weil Flick sie erworben und gehalten hat? Oder ist Flick wirklich der hellsichtige Sammler, der Talente eindeutig und früh erkennt? Steckt gar eine Strategie dahinter?

Da in den Verträgen des Berliner Museums «Hamburger Bahnhof» das Veräussern von Kunstwerken während der Ausleihzeit ausdrücklich möglich ist, könnte der Sammler Flick die Plattform des Museums im Nachgeschäft auch kommerziell nutzen, denn die Werke werden vertragsgemäss alljährlich ausgetauscht. Was danach passiert, ist allein Privatsache des Eigentümers. Dass öffentliche Ausstellungen den Wert der Kunstwerke erhöhen, ist die einleuchtendste Antwort auf den Buchtitel. Die Autorin hat frappierende Beispiele herausgefunden.

So hat der Brite Charles Saatchi - Besitzer der gleichnamigen Werbeagentur - Teile seiner umfangreichen Kollektion in Museen vorgestellt, bevor er sie über die Steueroase der Kanalinsel Guernsey verkaufte.

Auch die Belgierin Marion Lambert brachte ihre Fotosammlung «Veronica's Revenge» nach prestigeträchtiger Museumstour im Herbst 2004 bei Philips, de Pury & Company in New York unter den Hammer und machte einen Gesamtumsatz von 12,5 Millionen Dollar.

Der Durchbruch der Fotografie im Kunstkontext, der erst während der 90er Jahre begann, wird in Blombergs Untersuchung chronologisch nachvollzogen. Auf ihrem Kurs durch die Welt des Kunstmarkts hält es die Autorin mit dem Experten Boris Groys, wenn dieser sagt: «Eine Sammlung ist nicht bloss das akkumulierte Kapital . . . Es gibt nämlich auch die Arbeit des Sammelns - und diese ist auch eine künstlerische Arbeit, weil sie den Dingen unserer Welt den Kunststatus verleiht.»

Katja Blomberg: Wie Kunstwerte entstehen. Murmann Verlag, 224 Seiten; 24,90 Euro

www.abendblatt.de Gunter Péus 04.02.2006

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