Wenn Meinungsfreiheit zu teuer wird
Dänemark entschuldigt sich für seine Mohammed-Karikaturen
Den Dänen wird gern pauschal vorgeworfen, im Grunde Krämerseelen zu sein. Die jüngste Wendung, die der Konflikt um die umstrittenen Mohammed-Karikaturen genommen hat, ist kaum geeignet, dieses Vorurteil zu entkräften. Vier Monate lang gab es drängende Appelle an die dänische Adresse, mehr Rücksicht auf religiöse Gefühle, Humanität oder wenigstens politisches Kalkül walten zu lassen - ohne Erfolg. Aber wenn es um die Profite der Exportindustrie geht, hört offenbar selbst für den uneinsichtigsten Ministerpräsidenten und den Chefredakteur der Jyllands Posten die Verbohrtheit auf. Mit halben Entschuldigungen haben sie begonnen, die ersten Segel einzuholen.
Für Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen, dem man bislang ein gutes politisches Gespür nachsagte, kommt das einem Desaster gleich. Er hatte sich in die Ecke manövriert, weil er nicht die erlösenden Worte finden wollte, die dem dänischen EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn und der UN-Menschenrechtskommissarin Louise Arbour nicht schwer fielen: dass man persönlich die Karikaturen geschmacklos finde und glaube, «dass solcherlei Zeichnungen Fremdenfurcht und Fremdenhass verstärken», wie Olli Rehn sagte, aber auch die Meinungsfreiheit nicht beschneiden wolle. So viel Rücksicht schien Rasmussen jedoch nicht opportun, was viel über das derzeitige politische Klima in Dänemark aussagt. Für seine Kritiker dürfte seine «Einsicht» nun allerdings zu spät kommen, während seine Anhänger ihm wohl Weichheit oder Verrat vorwerfen werden.
Ob Dänemark dadurch nun aus dem Kreuzfeuer der Kritik kommt, scheint ohnehin fraglich. Schon hat ein führender dänischer Imam die Entschuldigungen als unzureichend zurückgewiesen: Es müsse garantiert werden, dass sich solche Gotteslästerung nicht wiederhole. Dass aber ist eine unerfüllbare Forderung, sollen nicht Pfarrer, Imame oder Rabbiner darüber bestimmen, was wir lesen, hören oder sehen dürfen. Diese religiösen Autoritäten haben sich schliesslich lange genug als formidable Unterdrücker der Meinungsfreiheit erwiesen.
www.taz.de Reinhard Wolff 01.02.2006
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