«Schweiz ist geil»
Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Doch mache man sich bitte keine allzu grossen Illusionen hinsichtlich der Freiwilligkeit dieses ersten Schritts. Denn lange vor dem Aufbruch haben uns die geheimen Verführer in den Werbeagenturen schon eingeflüstert, wohin die Reise diesmal gehen soll.
«Erlebe deinen Mythos!», raunt es etwa aus Griechenland, wo die Regierung Millionen investiert, um diesen Lockruf unter andere Völker zu bringen. Die Konkurrenz schläft nicht, also schallt es vom anderen Ufer aus Tunesien zurück: «Die schönste Seite des Mittelmeers». Tunesien und Griechenland demonstrieren mit ihren Slogans immerhin Deutsch-Kenntnisse, was keineswegs selbstverständlich ist: «Piu Italia che mai» titelt das römische Fremdenverkehrsamt auf seiner deutschsprachigen Internet-Seite. Die geheime Botschaft: Bitte erst die Volkshochschule, dann Italien besuchen. Das Sprüchlein bedeutet übrigens «Mehr Italien denn je», und da steckt auch ein Fünkchen Wahrheit drin.
Je exotischer die Reiseziele, desto englischer die Slogans. Thailand appelliert mit «Happiness on Earth» gleich an die ganz grossen Glücksmomente - und an energische Tsunami-Verdrängung. Porentiefe Reinheit, die man früher von seinem Vollwaschmittel erwartete, findet man heutzutage offenbar nur noch in der südlichen Hemisphäre: «100 % pure» reklamiert Neuseeland für sich, und die Seychellen legen noch ein paar Prozente drauf: «As pure as it gets». Reiner wird es allenfalls noch mit Persil...
Bei soviel Wortgeklingel wäre es höchste Zeit für die Weltrangliste der 100 dämlichsten touristischen Sprüche. Südafrika zählt zu den Anwärtern, denn es hat bei Toyota abgekupfert und es sich dann wieder anders überlegt: «It's (im)possible». Was denn nun? Ist Südafrika möglich oder unmöglich? Man bleibt ratlos. Allerdings sollen auch im vergangenen Jahr wieder Hunderttausende hingeflogen sein, um das Geheimnis zu lüften.
Andere Länder werben intelligent, bleiben aber von deutschen Urlaubern praktisch unerhört, Jamaica zum Beispiel. Der Slogan «One Love» spielt dezent auf hinlänglich bekannte erotische Reisemotive an, kann sich aber - politisch korrekt - darauf berufen, mit dem Liebesversprechen nur einen Gassenhauer der Reggae-Legende Bob Marley zu zitieren.
Deutschland hingegen fehlt ein solcher Popstar, mit dem man global punkten könnte. Beckenbauer singt (glücklicherweise) nicht, Udo Jürgens singt für Österreich und Dieter Bohlen würden auch nur wenige mit gutem Gewissen vorschicken. In dieser popkulturellen Notlage hat sich die Deutsche Zentrale für Tourismus den weltweit einzusetzenden Werbeslogan «GerMANY FACES» abgekniffen: Das Deutschland der vielen Gesichter. Klingt mittelmässig, passt also.
Angesichts von hunderten, ja tausenden Lockrufen, die die Zielrichtung unserer Reise manipulieren wollen, wird der verbale Rohstoff allmählich knapp. Es ist höchste Zeit für ein nachhaltiges Recycling von bewährten warmen Worten. Was bringt es, wenn Mexiko heute mit dem lächerlichen «Übertrifft deine Vorstellung» wirbt?
Wieviel wirksamer wäre ein Thomas Gottschalk, der kurz vor der Tagesschau versichert: «Mexiko macht Kinder froh, und Erwachsene ebenso!» Auch die Eidgenossen, deren Heimat der Ruf vorauseilt, als Urlaubsziel für treue FDP-Wähler erschwinglich zu sein, könnten deutschen Schnäppchenjägern mal den Kopf verdrehen. Was läge da näher als der (von Saturn) geborgte Slogan «Schweiz ist geil»?
www.abendblatt.de Reisenotizen von Olaf Krohn 25.02.2006
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