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21.2.06

Amerikaner in «Tal der Wölfe» als Finsterlinge

Rassistisch und antiwestlich sei der Film «Tal der Wölfe», meinen Politiker in Deutschland und fordern Konsequenzen. Doch ob die türkische Produktion abgesetzt wird, ist noch nicht entschieden.

Als «türkischer Rambo» möchte Necati Sasmaz nicht bezeichnet werden. «Rambo ist ein amerikanischer Held, ich bin der Polat der Türken», sagt der Schauspieler, der in dem türkischen Kinohit «Tal der Wölfe» in der Rolle des Polat Alemdar die Amerikaner im Irak das Fürchten lehrt und als Rächer der Geschundenen auftritt. Die mit 8,4 Millionen Euro teuerste türkische Filmproduktion aller Zeiten ist an den Kinokassen sehr erfolgreich. Fast 2,5 Millionen Zuschauer sahen den auch in Deuschland angelaufenen Film allein in den ersten zehn Tagen. Er hat den Serienhelden Necati Sasmaz zum «neuen Idol der türkischen Jugend» aufsteigen lassen, so die Tageszeitung «Vatan» (Vaterland) - und eine neue Debatte über Anti-Amerikanismus in der Türkei ausgelöst.

«Die GIs in Europa wurden angewiesen, Kinos zu meiden, in denen der türkische Film gezeigt wird», meldete die Armeezeitung «Stars and Stripes» auf ihrer Titelseite. Niemand solle sich mit Unbekannten auf Diskussionen einlassen, um Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen. Die nationale Begeisterung, die der Actionfilm in den türkischen Kinos hervorruft, lässt solche Befürchtungen nicht völlig unbegründet erscheinen. Vor den Kassen bildeten sich an den ersten Tagen lange Warteschlangen. «Wer an sein Ende denkt, kann kein Held sein», lautet ein beliebter Ausspruch des Leinwandhelden Polat.

In Deutschland löste der Film Proteste vor allem von Politikern aus. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und der Innenminister Baden-Württembergs, Heribert Rech (CDU), forderten die sofortige Absetzung des gewaltsamen Streifens. «Der Film schürt antisemitische und antiamerikanische Ressentiments, spaltet Kulturen und radikalisiert vor allen Dingen türkische Jugendliche», sagte Rech. Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland schloss sich der Forderung an.

Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet (CDU) will die Jugendfreigabe des Films kippen. Die Freiwillige Selbstkontrolle (FSK) der Filmwirtschaft hatte den Film zunächst erst ab 18 freigegeben. Nach dem Einspruch des türkischen Filmverleihs senkte sie die Altersbegrenzung jedoch auf 16 Jahre.

«Sack-Affäre»

Ausgangspunkt des Filmes ist ein von der Weltöffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommener, aber von vielen Türken noch heute als demütigend empfundener Vorfall im Irak, der sich als «Sack-Affäre» in das Bewusstsein der Nation eingegraben hat. Damals, im Juni 2003, wurden türkische Soldaten von den eigentlich befreundeten Amerikanern festgenommen und aus türkischer Sicht nicht anders behandelt als die Gefangenen im US-Gefängnislager Guantánamo. Im Film schleudert Polat dem Bösewicht Sam Marschall, dargestellt von Billy Zane - Kinogängern aus «Titanic» mit Leonardo DiCaprio und Kate Winslet bekannt - einen solchen Sack ins Gesicht, bevor er ihn später umbringt.

«Was ist schlecht daran, einen guten Action-Film zu sehen, in dem einmal die Amerikaner die schlechtere Rolle haben?», fragt der deutsch-türkische Schriftsteller Feridun Zaimoglu, der die Begeisterung türkischer Jugendlicher auch in Deutschland durchaus nachvollziehen kann. Bisher seien stets Araber die Finsterlinge gewesen. Bei «Tal der Wölfe» sei es umgekehrt. «Hier wird Vergeltung auf der Leinwand geübt.» Nicht nur Zaimoglu ist der Meinung, dass der Film auch eine Ventilfunktion hat. «So wie sich Amerika nach der Niederlage in Vietnam durch die 'Rambo'-Filme erleichtert fühlte, so verschafft uns dieser Film Erleichterung», sagte Mehmet Gül, ein ehemaliger Vorsitzender der türkischen Grauen Wölfe, der Zeitung «Vatan».

Doch der Film ist nicht nur Vergeltung für die Schmach, die die elf türkischen Soldaten im Irak erleiden mussten. Er ist gespickt mit Gräueltaten gegen eine irakische Hochzeitsgesellschaft und authentischen Folterbildern aus dem berüchtigten US-Gefängnis Abu Ghraib. «Es ist eigentlich ein Film für alle, die [den US- Präsidenten George W.] Bush hassen», meinte ein türkischer Fernsehkommentator. So möchte am liebsten auch Necati Sasmaz beurteilt werden: «Es ist kein Film gegen Amerika, es ist ein Anti-Kriegsfilm.»

www.netzeitung.de Ingo Bierschwale 20.02.2006

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