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29.8.09

Buchhandlung

Buchhandlung zum Zytglogge: Seit gut zwei Jahren befindet sich die kleine und feine Buchhandlung in neuen Händen — das Portrait einer der ältesten Buchhandlungen im Herzen der Stadt.

Die traditionsreiche Buchhandlung in der Hotelgasse besteht seit über 70 Jahren und seit ihrer Gründung trägt sie auch den Namen des benachbarten, bekanntesten Wahrzeichens von Bern. Das rund 50qm grosse Ladenlokal entstand kurz vor dem Zweiten Weltkrieg und noch heute finden sich vereinzelt Einbauten und Gestelle aus der Gründungszeit – Interieurteile aus Nussbaum und Eiche. Diese Inneneinrichtungen stammen offenbar aus dem seinerzeitigen Atelier Anliker, welches der Vater von Christian Anliker geführt hat.

Die zweitälteste Buchhandlung der Stadt Bern kann auf ein über Jahre und Jahrzehnte gewachsenes treues Publikum zählen – ein Publikum, das die individuelle Handschrift, die Atmosphäre und die langjährige persönliche Beziehung zu ihren Buchhändlerinnen schätzt und weiss, dass es gut beraten wird. Seit jeher verkehren und verkehrten auch «höchste» Bernerinnen und Berner in der Buchhandlung: So wohnte in den 1950er-Jahren eine Lehrtochter auf dem Münsterturm, gingen und gehen Bundesrätinnen und Stadtpräsidenten ein und aus und noch heute erzählt man sich, dass Ende der 1940er-Jahre Friedrich Dürrenmatt einen Teil seiner angefangenen Dissertation rauchend und philosophierend in der Buchhandlung entworfen und niedergeschrieben hat.

Angesprochen auf die Frage, ob die Leute im Zeitalter von PC, iPod und eBook überhaupt noch Bücher lesen, reagiert Gurli Jensen differenziert. Die ganze Palette dieser elektronischen Neuerungen diene neben der Informationsbeschaffung ja eigentlich dem Lesen – Texte, Geschriebenes entsteht auf Papier. Welche Publikationsform zu welchem Zweck passe, entscheide der «User»: Das Hörbuch für unterwegs in der Eisenbahn oder als Begleitung zu Haushaltsarbeiten, eBook auf Langstreckenflügen oder als Studienmaterial. Kein modernes Medium ersetzt oder konkurrenziert jedoch die vielen vergnügten Stunden in anregender Gesellschaft mit den Personen eines guten Romans oder den spannenden Abend in intensiver Auseinandersetzung mit einem Sachbuch – auf dem Sofa ausgestreckt und eingewickelt in die flauschige Kuscheldecke, bequem im Lehnstuhl oder gar im Bett als abendliches Ritual vor dem Einschlafen – davon ist die begeisterte Leserin überzeugt. Wer möchte denn mit computergeröteten Augen und schmerzenden Schultern abends nochmals vor einem Bildschirm sitzen?

Eine kürzlich durchgeführte Umfrage zeigt, dass nicht nur eingefleischte Buchhandlungskunden die Dienstleistungen und Beratungen traditionell ausgerichteter Geschäfte schätzen, sondern auch junge Leute den Weg zurück finden vom Internet in gut assortierte Buchläden mit sorgfältig ausgebildeten Mitarbeitenden. Dass jedes lieferbare Buch innerhalb 24 Stunden, dass vergriffene Bücher kostengünstig antiquarisch beschafft werden und dass versierte Buchhändlerinnen bei Recherchen viele gute Tipps parat haben – diese Angebote und Handreichungen werden von unserer Kundschaft aus allen Altersschichten gewürdigt und machen die Arbeit interessant und vielfältig.

Natürlich beschäftigt sich der Sortiments- und Verlagsbuchhandel intensiv mit den Veränderungen auf dem Buchmarkt, so auch mit den Auswirkungen der Aufhebung der Buchpreisbindung. Es ist nicht wirklich einzusehen, warum sich die Kundin nicht darauf verlassen kann, dass ein Buch auf dem Jungfraujoch oder an der Bahnhofstrasse gleichviel kostet (wie beispielsweise die Tageszeitung oder das Kopfwehmittel). Auf lange Sicht wird die Kundschaft von dieser vom Bundesrat verordneten Liberalisierung leider nicht profitieren, dafür gibt es aus dem Ausland genügend warnende Beispiele: Die Buchpreise steigen teilweise drastisch, verlegt werden zunehmend nur noch die hitverdächtigen Bestseller, Bücher in grossen Einkaufszentren fristen ein kümmerliches Dasein in einer lieblos eingerichteten Ecke oder serbeln als Ausverkaufsware im Wühltrog vor sich hin, kleine und unabhängige Buchhandlungen verschwinden – in einigen Ländern ist es bereits soweit, dass die noch bestehenden Verlage und Buchhandlungen subventioniert werden müssen. Und auch in der Schweiz werden solche Unterstützungsmodelle bereits ernsthaft diskutiert – denn wie sollen Bücher zu Schweizer Themen oder von Schweizer Autorinnen und Autoren im grossen länderübergreifenden, deutschen, französischen oder italienischen Sprachraum überhaupt noch Beachtung, geschweige denn einen Verlag finden?

Sich informieren, auf dem Laufenden halten und sich weiterbilden, sich über Bücher und Gelesenes austauschen und Empfehlungen abgeben: Darauf setzt die «Buchhandlung zum Zytglogge». Mit zu den schönsten Erlebnissen für uns Buchhändlerinnen gehört es, wenn Kundinnen und Kunden anfangen, sich gegenseitig zu beraten und bei uns im Laden ein lebendiger Austausch, eine engagierte Debatte über Gelesenes entsteht – wenn die Buchhandlung zur Plattform und Drehscheibe für Literatur, Kunst und Kultur wird. So auch in der Weihnachtszeit, wenn in den letzten drei hektischen Wochen unsere Freundinnen als «Gastarbeiterinnen» mit grosser Begeisterung den Päckli-Tisch betreuen und die festliche Stimmung im Laden mitprägen.

Und wenn die Buchhändlerin selber ein Buch empfehlen müsste? Eine schwierige Frage für eine seit «Kindsbeinen» passionierte Leserin. Wenn sie sich auf ein einziges Buch festzulegen hätte: Es wäre «Jakob schläft» des Schweizer Schriftstellers Klaus Merz.

Brunne Zytig 13.03.2009 Gurli Jensen Interview: Annelies Hüssy
www.zytglogge-buchhandlung.ch

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