Essen & Trinken
Essen & Trinken in der Schweiz
Den Röstigraben überqueren
Die Schweizer Küche ist von regionalen Unterschieden und Einflüssen der französischen, italienischen und deutschen Küche geprägt. In dem rauen Alpenklima schätzt man ein eher deftiges Essen und dafür gibt’s dann auch gleich einen schönen Ausdruck: währschaft. Ein enorm währschaftes Gericht ist etwa die Berner Platte, bei der verschiedene, zum Teil geräucherte Fleisch- und Wurtsorten mit Sauerkraut, Kartoffeln, Rüben oder Dörrbohnen gekocht und aufgeschnitten auf einer Platte serviert werden. Ein typisches Winter- oder Frühjahrsessen, weil ohne Frischgemüse oder -fleisch, das der Legende nach im März 1798 entstand. Als die Franzosen Bern erobert hatten, bereiteten die Frauen eines Dorfes in der Nähe gemeinsam die Berner Platte zu, um die aus dem Feld zurückkehrenden Männer willkommen zu heissen.
Wenn man über die Schweizer Küche spricht, darf man natürlich die (ja, es heisst die) Rösti nicht vergessen. Die Rösti wird «Rööhschti» ausgesprochen und ist eine Art Kartoffelpuffer aus geriebenen oder geraspelten Kartoffeln, der aber ohne Ei oder Mehl zubereitet und nach Geschmack mit diversen Zutaten von Speck, Zwiebeln und Gemüse bis zu Kräutern oder Äpfeln angereichert wird. Mit Käse überbacken wird daraus die Berner Rösti. Was heute im Ausland als Schweizer Nationalgericht gilt, stammt ursprünglich aus der Deutschschweiz. Wenn es um Konflikte nicht nur kulinarischer Art zwischen der deutschsprachigen und der französischsprachigen Schweiz geht, spricht man daher vom «Röstigraben» als Trennlinie zwischen den Landesteilen.
Was in anderen Ländern als Quiche oder Pie bekannt ist, heisst in der Schweiz Wähe, Kuchen, Dünne, Fladen oder Gâteau (es ist eben ein vielsprachiges Land …): ein ausgerollter Mürbeteig auf dem Blech oder in einer Backform, der mit Gemüse, Speck und ähnlichem belegt und mit einer Mischung aus Eier und Sahne oder Milch begossen wird. Auch süsse, also mit Obst belegte Wähen usw. gibt es. Aber aufpassen, wenn ihr Käsekuchen bestellt – wenn es sich um eine Käsewähe handelt, passt das vielleicht schlecht zum Nachmittagskaffee. Daher solltet ihr für die Süssspeise Käsekuchen lieber das Wort Quarktorte verwenden.
Gschwellti mit Käse
Apropos Käse, der spielt in der Schweiz natürlich eine grosse Rolle, und zwar in allen möglichen Formen und Geschmacksrichtungen. Produziert wird er überwiegend aus der Milch der mindestens ebenso bekannten Schweizer Kühe (deren Kuhglocken nicht umsonst auch in der Fankurve Verwendung finden). Vom Gruyère über den löchrigen Emmentaler zum würzigen Appenzellerkäse tragen viele Sorten ihren Herstellungsort im Namen. Historische Erwähnung findet der «Caseus Helveticus», also der Schweizer Käse, erstmals im 1. Jahrhundert in den Aufzeichnungen des römischen Historikers Plinius des Älteren. Ganz so lang ist selbst der bestgelagerte Käse nicht haltbar. Warum auch, schliesslich kann man ihn für so leckere Dinge wie Käsefondue und Raclette verwenden – zwei weitere Exportschlager der Schweiz, die sich auch bei uns grosser Beliebtheit erfreuen.
Das Käsefondue – genau genommen wird nicht von Käsefondue gesprochen, denn ein Fondue ist immer ein Käsefondue – stammt aus der französischen Schweiz und besteht aus geschmolzenem Käse mit Weisswein und gegebenenfalls weiteren Zutaten wie Knoblauch, Pfeffer oder Kirschwasser. Zur Frage der richtigen Käsemischung gibt es fast ebenso viele Meinungen wie Käsesorten, einig ist man sich immerhin, dass Weissbrotstücke oder gekochte Kartoffelstücke hineingetunkt werden. Dazu gibt es den Alkohol, den man auch schon ins Fondue gekippt hat, oder auch schwarzen Tee. Zum Raclette – ursprünglich eine Walliser Spezialität – gibt es neben bzw. unter dem speziellen Raclettekäse traditionell Gschwellti (Pellkartoffeln) und saure Gurken, Essigzwiebeln oder Senffrüchte, in Senfsirup eingelegtes Obst. Allerdings: Fondue und Raclette essen die SchweizerInnen vor allem in den kalten Jahreszeiten. Wer im Sommer ein Fondue oder ein Raclette bestellt, muss ein Tourist sein …
Wattwürmer zum Dessert!?
Nähern wir uns langsam dem Thema Nachtisch und Süssspeisen, zum Beispiel mit der Aargauer Rüeblitorte, die aus einem saftigem Biskuitteig mit geriebenen Möhren und Mandeln und einer Puderzuckerglasur besteht. Eine weitere Tortenspezialität ist die Zuger Kirschtorte aus Schichten von Nussbaiser, Biskuitböden und Buttercremefüllung, die Kirsche kommt nicht als Frucht, sondern in alkoholischer Form zur Aromatisierung dazu.
Bei Schweizer Leckereien kommen wir an der Schokolade natürlich nicht vorbei. Obwohl die Schweiz nie eigene Kolonien besass, aus denen sie Kakao günstig hätte importieren können, stieg sie zu einer der erfolgreichsten Schokoladennationen auf. 1697 gelangte die Schokolade aus Brüssel in die Schweiz und wurde lange Zeit misstrauisch beäugt, 1772 vom Zürcher Stadtrat sogar verboten und als «tugendhafte Menschen unpassend» gebrandmarkt, weil sie als Aphrodisiakum galt. Die Kunst der Schokoladeherstellung eignete man sich dann im Laufe der Zeit vor allem im Kontakt mit den italienischen «Cioccolatieri» an – und verfeinerte sie.
Die Schweizer, in Person von Rodolphe Lindt, entwickelten das Conchieren, wodurch die Schokolade noch geschmacksintensiver wird und den zarten Schmelz bekommt. Diese Neuerung machte die Schweizer Schokolade so richtig berühmt. Heute wird die Schweizer Schokolade vorwiegend in Tafelform produziert, aber auch in der berühmten Toblerone-Dreiecksform. Sympathischerweise essen die Schweizerinnen und Schweizer den grössten Teil ihrer im Land produzierten Schokolade gleich selbst auf und liegen damit beim Schoki-pro-Kopf-Verbrauch mit rund 11 Kilo im Jahr ganz weit vorne.
Aus dem Tessin, also der italienischen Schweiz, stammt eine Nachtischspezialität, die für Norddeutsche seltsame Assoziationen auslösen kann. Vermicelles werden aus Esskastanien oder wie es in der Schweiz heisst: Maroni zubereitet, die gekocht, gezuckert und durch eine Passiermühle gedrückt werden, sodass sie aussehen wie Spaghetti – oder wegen der bräunlich-schlammigen Farbe – Wattwürmer. Dazu gibt es Schlagsahne und Baiser. Die Maroni in nicht zerdrückter, sondern gerösteter Form gibt es im Winter übrigens auf der Strasse an Ständen zu kaufen – als Heissi Marroni.
Trinken
Auch Bier und Wein werden in der Schweiz getrunken und produziert, Weinreben wachsen aufgrund der schwierigen Anbaubedingungen in den Bergen allerdings nicht in rauen Mengen. Gerade nach währschaften Mahlzeiten erfreuen sich Obstbrände grosser Beliebtheit. Neben dem Kirschwasser, das, wie schon erwähnt, auch in Fondue und Torten Verwendung findet, ist da der Pflümli zu nennen.
Die einfallsreichen Schweizer machen aus Milch nicht nur Käse und Schokolade, sondern auch eine Art Limonade: Das Nationalgetränk mit (Marken-)Namen Rivella besteht aus 35 % Milchserum mit Zusatz von Zucker, Kohlensäure, Kräutern und Fruchtextrakten, je nach Sorte. Ausserhalb der Schweiz ist Rivella eher wenig bekannt und auch selten erhältlich, innerhalb der Landesgrenzen steht es bei den nichtalkoholischen Getränken auf Platz zwei hinter dem amerikanischen Import Cola und ist auch nur geringfügig weniger süss. Was den Kaffeegeschmack angeht, hat sich der französische Einfluss stärker durchgesetzt als der deutsche: Statt Filterkaffee wurde in der Schweiz auch schon vor dem globalen Siegeszug der Coffeeshops Milchkaffee serviert. Dazu ein Stück feine Schweizer Schokolade und die Welt ist in bester Ordnung.
Text: www.fanguide-em2008.de
Von Ruedi gesalzen und gepfeffert
kochen
1 Kommentare:
Ein sehr schöner, gehaltvoller Text über schwiizer Spezialitäten - mit sinnvollen Ergänzungen. Hat mir gut gefallen, danke!
10:19 PM
Kommentar veröffentlichen
<< Home