Auktion bei Kornfeld in Bern
Mit vierzehn Zuschlägen oberhalb der Millionengrenze und einem Umsatz von 67,1 Millionen Franken erwies sich die Auktion mit Moderner Kunst bei Kornfeld in Bern als ein Erfolg, wie ihn bislang noch kein anderes Auktionshaus in der Schweiz verzeichnen konnte.
Zum glanzvollen Resultat trug der vollständige Verkauf von 55 Werken Chagalls aus dem unverteilt gebliebenen Nachlass seiner Tochter Ida wesentlich bei, der mit 35,7 Millionen Franken fast das Doppelte der Gesamttaxe einspielte.
An dem Konvolut, das 42 Ölbilder und Gouachen sowie dreizehn illustrierte Bücher aus allen Phasen von Chagalls Schaffen umfasste, zeigte sich vor allem eine britisch-französische Händlergruppe um Micky Tiroche aus Israel interessiert, die dreizehn Lose, bei jeweils mehr als verdoppelter Taxe, für insgesamt 9,35 Millionen Franken an sich brachte: Zu den teuersten zählte «Le Songe» von 1984, für das sie 2,45 Millionen Franken (Taxe 1 Million) zahlte - den höchsten Preis für einen Chagall in der Schweiz bisher. Neben zahlreichen Sammlern griff in das Geschehen immer wieder ein Herr mit Handy ein, dessen Mandant sich aus dem marktfrischen Angebot sechs Werke für insgesamt 7,94 Millionen Franken pflückte, darunter das figurenreiche «Le rêve au cirque» von 1980 für 2,3 Millionen Franken (1,5 Millionen).
Braque löst Beckmann ab
Auch im zweiten Teil der Auktion konnte Kornfeld einen Hausrekord verbuchen. Braques selten grossformatiges, 1948 begonnenes Gemälde «La Terrasse» trotzte der New Yorker Händler Richard Feigen einem Konkurrenten im Saal für 6,1 Millionen ab, zur fast verdreifachten Taxe. Damit übertraf das Bild deutlich den bisherigen Höchstpreis von 5,3 Millionen Franken bei Kornfeld, den im Juni 1990 Beckmanns Gemälde «Der Wels» brachte.
Beachtlich war auch das Gebot von 1,7 Millionen Franken für Noldes Blumenbild «Mohn und Rosen» von 1917, das die Galeristin Ingeborg Henze-Ketterer in Erinnerung an ihren verstorbenen Vater übernahm, der es in den sechziger Jahren an einen Sammler in Caracas verkauft hatte. An sie fiel auch Kirchners «Berghirte im Herbst» von 1921 mit der Ansicht der Stafelalp oberhalb von Davos bei 620'000 Franken (600'000).
Bemerkenswert waren die Zuschläge für drei graphische Arbeiten von Munch, die sich der Osloer Händler Haaken jeweils zu Preisen deutlich oberhalb der Schätzung sicherte. So waren ihm die Lithographie «Auf der Brücke» 210'000 (50'000) und der farbige Druck «VampyrII.» 500'000 Franken (200'000) wert; in den farbigen Abzug von «Angst - Angstgefühl» investierte er gar 680'000 Franken (200'000). Auf 185'000 Franken (50'000) kletterte Feiningers Tuschzeichnung «Sonnenaufgang - Kirchplatz in einer kleinen Stadt», die in Hamburger Privatbesitz wanderte. Für die Urfassung der «Femme de Venise» mit dem Titel «FigurineII, très petite» von Alberto Giacometti legte ein Zürcher Händler im Auftrag 840'000 Franken (500'000) aus, eine spätere Version des Titels «Femme debout, sans bras» wurde einem anderen Bieter schon für 600'000 Franken (700'000) gegeben.
Elektromotörchen mit Drum und Dran
Recht begehrt waren zum Schluss der Auktion die Fingermalereien von Louis Soutter, an denen etwa ein Schweizer Sammler derartig Gefallen fand, dass er via Mobiltelefon für das Blatt «Il est né» 210'000 (125'000) und kurz darauf für die grossformatige Arbeit «Le Geste terrible» mit gestikulierenden Figuren 270'000 Franken (100'000) offerierte.
Auch für Tinguelys Produktionen wurde in einer Schweizer Auktion noch nie so viel Geld bezahlt wie jetzt für zwei gewichtige Hängelampen mit farbigen Birnen, Elektromotörchen und weiterem Drum und Dran, die für 100'000 und 210'000 Franken jeweils deutlich oberhalb der Taxen an eine junge Dame im Saal gingen. Diese beiden Zuschläge erstaunten insofern, als dieselbe Person bereits im vergangenen Jahr am selben Ort für zwei ebenfalls auf 50'000 und 60'000 Franken geschätzte Exemplare dieser Art gerade einmal etwas mehr als die jeweiligen Schätzpreise bezahlt hatte. Insgesamt nahm Kornfeld im zweiten Teil der Auktion weitere 21,6 Millionen Franken ein und realisierte damit dreissig Prozent mehr als die Gesamtpreiserwartung.
www.faz.net Erdmann Neumeister 01.07.2006
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