g26.ch

17.3.06

Romano Prodi schlug Silvio Berlusconi auf seinem Terrain

Europas Leitartikel beschäftigen sich heute mit dem am Dienstagabend stattgefundenen TV-Duell zwischen Romano Prodi und Silvio Berlusconi, den beiden Rivalen im gerade laufenden italienischen Wahlkampf:

Die Frankfurter Financial Times Deutschland rekonstruiert den Verlauf des TV-Duells: «Der Premierminister kramte immenses Zahlenmaterial aus dem Gedächtnis hervor, um die Erfolge seiner Regierung zu belegen. Geschaffene Arbeitsplätze, gesunkene Steuerlast, geringere Einwandererzahl - Berlusconi schien den ganzen Tag über den Zahlen des nationalen Statistikamtes gesessen zu haben. Zu gerne hätte man den Notizblock gesehen, auf dem Berlusconi die Zahlen notierte, unterstrich, einrahmte. Meist senkte er auch noch den Blick auf seine Notizen, und Prodi war es, der die Zuschauer einige Male direkt ansprach und in die Kamera blickte. Der graue Wirtschaftsprofessor Prodi schlug den Fernsehprofi Berlusconi.»

Der Wiener Standard sieht Romano Prodi nun als Top-Favoriten für die am 9. April geplanten Parlamentswahlen: «Herausforderer Romano Prodi hat Ministerpräsident Silvio Berlusconi in dessen ureigenstem Terrain geschlagen: dem Fernsehen. Wegen der strikten Vorgaben konnte Berlusconi nicht in den üblichen Ton frenetischer Selbstbeweihräucherung verfallen. Er musste kurz und präzise sein - und es zeigte sich: Da ist der Lack ab. Der Mann, der sich freimütig mit Jesus vergleicht, kann keine Wunder mehr vollbringen. Nicht einmal im Fernsehen. Prodi dagegen, den dessen Feinde seit Jahren mit unschönen Beschreibungen wie «Langweiler» und «Mortadellagesicht» als TV-inkompatibel denunzieren, machte bella figura. Er geht als Favorit in die Wahlen vom 9. und 10. April.»

Der Mailänder Corriere della Sera sieht Berlusconi an der Mechanik seines eigenen Machtsystems scheitern: «Die eigentliche Schwäche des TV-Duells lag darin, dass die beiden Kontrahenten viel über die Vergangenheit gestritten, aber kaum über die Zukunft diskutiert haben. Über weite Strecken schien sich eine Dialektik zwischen dem Italien von 1996 und dem von 2001 auszubreiten. Italien im Jahr 2006 fehlte jedoch vollkommen. Doch auch in diesem Fall lastet die Hauptverantwortung dafür vor allem auf Berlusconi. In seiner aus Zahlen bestehenden Realität eingeschlossen, wiegt sich der Premier in der trügerischen Sicherheit einer virtuellen Illusion. Aus seiner persönlichen Biographie bordet ein Italien über, das es in Wirklichkeit nicht gibt. Ihm fällt nichts Besseres ein, als von sich zu erzählen, von dem Guten, das er für Italien getan hat, und über die Undankbarkeit jener zu klagen, die dies nicht anerkennen. Auch das ist eine politische Strategie, und sie stammt direkt von den Republikanern in den USA: Um jedwelchen Gegner zu schlagen, muss man von der Fakten abstrahieren, und ihre Existenz selbst in Frage stellen. Damit dies gelingt, ist ein Mediensystem vonnöten, das sich vollkommen unter Kontrolle befindet, und welches einem schmeichelt. Während einer gesamten Legislaturperiode hat Berlusconi, wie Bushs Rechte, seine eigenen Fakten geschaffen. Die mit der Realität nichts zu tun haben.»

Die Moskauer Kommersant wertet das Duell ebenfalls als einen Etappensieg für den Herausforderer: «Die strengen Regeln des TV-Duells und die geschickte Gesprächsführung des Moderators nahmen dem italienischen Premier die Möglichkeit, seine größte Waffe einzusetzen: die Dreistigkeit. Er wiederholte und wiederholte seinen magischen Zauberspruch ‚Unter meiner Führung ist alles besser geworden', während sein Widersacher ruhig, seriös und beweiskräftig erläuterte, dass gerade das Gegenteil der Fall sei, und überzeugend darlegte, dass nur sein Programm die Lage zum Besseren wenden würde.»

Die Kopenhagener Information schaut mit Besorgnis nach Süden und zählt die zentralen Themen des Wahlkampfes auf: «Dass ein Mann wie er an die Spitze einer der weltweit wichtigsten Industrienationen gelangen konnte, ist vielleicht das Bedenklichste, was auf der politischen Ebene Europas seit der Machtergreifung Hitlers geschehen ist. Doch es sind nicht Berlusconis Interessenkonflikte, seine möglichen Vergehen und sein Mangel an Takt und Diplomatie, die nun zur Abstimmung stehen. Geht es uns besser oder nicht, seit wir Berlusconi vor fünf Jahren wählten - diese Frage steht im Zentrum der Wahl. Deshalb lauten die Themen Geld, Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Arbeit, Steuern und soziale Gerechtigkeit.»

www.europolitan.de 17.03.2006

1 Kommentare:

Anonymous Anonym said...

Bei dem derzeitigen Wahlkampf in Italien weiss man nicht ob man lachen oder weinen soll - oder am besten gleich umziehen in ein europäisches Nachbarland....

4:12 PM

 

Kommentar veröffentlichen

<< Home

Powered by Blogger