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8.3.06

Metrosexuelle Männer

David Beckham ist der Inbegriff des metrosexuellen-Mannes. Seine Accessoires: gestylte Haare, rasierte Brust, manikürte Fingernägel, Trendy-Klamotten, und ganz sicher HETERO! Unter metrosexuellen Männern versteht man Männer, die zwar heterosexuell sind, aber sehr stark mit homosexuellen Facetten spielen. Sie haben keine Angst vor ihrer Weiblichkeit.

Redesign der Geschlechter

Der Mann musste sich im Zuge der Emanzipation neu definieren. Erst durfte er sein wie er wollte, dann hat das den Frauen nicht mehr gepasst. Der Mann sollte weicher und verständnisvoller werden. Doch auch der «Frauenversteher» hatte schnell ausgedient, harte Männlichkeit war wieder gefragt. Der Trend war retro, es gab ein «Redesign der Geschlechter»: Frauen betonten wieder ihre Weiblichkeit, Männer durften wieder ihre Männlichkeit zeigen.

Macho-Sein war wieder in, gleichzeitig aber wurde Schwul-Sein gesellschaftlich toleriert, so dass sich Männer der Reihe nach outeten. Durch diese Entwicklung gab es eine Annäherung: Männer, die eher bisher dem Macho-Sein frönten, fingen an sich zu stylen und in Felder vorzudringen, die bisher den schwulen Männern eigen waren.

Mehr Bewusstsein für Mode und Körperpflege

Die Homosexuellen waren die ersten, die sich intensiver um ihren Körper gekümmert haben, sie sind die wahren Trendsetter zum Beispiel in Sachen Mode und Pflege. Seit einigen Jahren beobachtet die Kosmetikbranche den Trend, dass sich immer mehr Männer für Körperpflege interessieren und bereit sind, Modetrends mitzumachen.

Allein der Markt für Haarprodukte für Männer hat in den Vereinigten Staaten bereits einen Umfang von acht Milliarden Dollar erreicht – Tendenz steigend. Wohlfühlen, es sich gut gehen lassen, mittlerweile ist das auch Männersache geworden.

Die Feminisierung des starken Geschlechts

Eine Studie des amerikanischen Magazins «Economist» behauptet, dass 30 bis 35 % der Männer im Alter von 25 bis 45 Jahren metrosexuelle Tendenzen haben. Das heisst, dass Männer jetzt auch Dinge tun, die bislang der holden Weiblichkeit vorbehalten waren. Trotzdem sind Metrosexuelle keine Weicheier, sondern eine Art Verweiblichung der Heteros, so sagen Trendforscher. Die Feminisierung des Mannes ist durchaus etwas Positives – dann nämlich, wenn Männer nicht nur zu Accessoireträgern werden, sondern ihre weibliche Seite auch verinnerlichen.

Kehrseite der Medaille

Auch junge Männer bekommen heutzutage Krankheiten, die bisher den Frauen vorbehalten waren, wie beispielsweise Ess-Brechsucht, Bulimie oder Magersucht. Sie erliegen somit scheinbar den gleichen gesellschaftlichen Zwängen wie seit Jahren junge Frauen. Dieses stellt Professor Dr. Peter Gathmann zunehmend fest. Seit 1977 ist er Leiter der psychosomatischen Ambulanz und des Essstörungszentrums am Universitäts-Krankenhauses in Wien: «Als ich in der psychosomatischen Ambulanz anfing, war das Verhältnis Frau zu Mann in der Ambulanz etwa 3:1, das heisst dreimal so viel Frauen waren bereit, körperliche Erkrankungen in der Möglichkeit nach seelischer Verursachung zu akzeptieren. Dieses Verhältnis hat sich in den letzten zehn Jahren total verändert. Es gibt immer mehr Männer, die bereit sind, auch aus einer veränderten positiven Zugänglichkeit zu ihrer eigenen Körperlichkeit psychosomatische Beschwerden als solche zu erkennen.»

Der Weg zur androgynen Gesellschaft?

Männer lassen ihre feminine Seite zu. Gut so. Und Frauen stehen auf den nach Achselschweiss riechenden Holzfällertypen wohl auch nicht mehr. Auch gut so. Bewegen wir uns somit auf eine androgyne, also geschlechtsneutrale Gesellschaft zu?

Prof. Dr. Michael Kunze vom Wiener Institut für Sozialmedizin sieht schon Tendenzen in diese Richtung: «Androgyne Gesellschaft, ja, irgendwie schon. Ja, die Männer werden sich mehr den Frauen annähern, die Frauen mehr den Männern. Und wenn wir Männer dann das einzig verbleibende Privileg noch knacken und Kinder kriegen, dann ist es AUS mit den Frauen!»

www.arte-tv.com 07.03.2006
Siehe auch David Beckham

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