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19.3.06

Grosserfolg eines Kleinstaats

Politiker würdigen die Bildung des UNO-Menschenrechtsrats in Genf

Die Bildung des UNO-Menschenrechtsrats gilt als Grosserfolg der Schweizer Diplomatie. Was die Institution bringt, muss sich aber erst noch weisen.

Am Anfang sei der neue Menschenrechtsrat noch eine Utopie gewesen, sagte Aussenministerin Micheline Calmy-Rey am Mittwoch vor den Medien. Dass die Idee nun in die Tat umgesetzt werde, sei ein Grund zum Feiern – für die Schweizer Diplomatie und für alle, denen etwas an Menschenrechten liege. Tatsächlich war der Weg weit, doch am Ende stimmten an der UNO-Generalversammlung in New York 170 Länder für den Menschenrechtsrat, nur vier waren dagegen. Als besonderen Erfolg ist zu verbuchen, dass die USA zwar gegen das Projekt votierten, dennoch aber eine konstruktive Mitarbeit zugesagt haben. Sehr wichtig aus Sicht der Schweiz ist zudem der Entscheid der UNO, den Rat in Genf anzusiedeln, wo er die wenig effiziente UNO-Menschenrechtskommission am 19. Juni ablösen wird. Auch die Schweiz wird sich um einen der 47 Sitze bewerben.

Dass die Aussenministerin sagte, sie sei persönlich «tief gerührt» über das Ereignis in New York, überrascht nicht. Seit Calmy-Rey Anfang 2003 ihr Amt als Bundesrätin antrat, stellte sie das Thema Menschenrechte ins Zentrum ihrer Tätigkeit. Bereits im Frühjahr 2003 schlug Calmy-Rey das Projekt des UNO-Rats für Menschenrechte vor und beauftragte danach den Berner Professor Walter Kälin mit einem Gutachten.

Reform nötig

Die Forderung nach einem Ersatz für die Menschenrechtskommission, kommt nicht von ungefähr. Die Kommission steht seit Langem in der Kritik, weil ihre Mitgliedsländer teils selbst Menschenrechte verletzen. Das Wahlverfahren folgt überkommenen Traditionen. Zudem dauert es oft Jahre, bis Menschenrechtsvergehen verurteilt werden, weil die Kommission nur einmal jährlich tagt. Der Menschenrechtsrat dagegen soll das ganze Jahr über arbeiten und dreimal jährlich während mehrerer Wochen Sitzungen abhalten.

Freude im Parlament

In der Schweiz wird die Bildung des Rats als Erfolg der Schweizer Diplomatie gewürdigt. Tatsächlich gehörte der Schweizer UNO-Botschafter Peter Maurer zu den treibenden Kräften. Für den Präsidenten der aussenpolitischen Kommission (APK) des Ständerats, Philipp Stähelin (CVP/TG), hat die Schweiz demonstriert, dass sie innerhalb der UNO eine grössere Rolle spielt als andere Kleinstaaten. Das habe sie ihrer Glaubwürdigkeit als UNO- und IKRK-Sitz sowie als Depositarstaat der Genfer Konventionen zu verdanken. Gegen aussen sei dies ein gewichtigeres Argument als die Neutralität. Der Schaffhauser Gerold Bührer (FDP), Mitglied der Nationalrats-APK, rühmt ebenfalls, dass sich die Schweiz auf einem Gebiet engagiert, wo sie eine wichtige Rolle spielen kann.

Für das Zürcher APK-Mitglied Mario Fehr (SP) hat die Schweizer Diplomatie demonstriert, dass ein Kleinstaat nicht ohnmächtig ist. Kritisch gibt sich nur der Präsident der nationalrätlichen APK, Luzi Stamm (SVP/AG). Stamm stört sich am «unerträglichen Aktivismus» der Aussenministerin in Menschenrechtsfragen. Er fordert, dass sich die Diplomatie auf die traditionelle Rolle der Schweiz als Signatarstaat des IKRK und als Anbieter von guten Diensten zurück besinnt. Ausserordentlich glücklich, «dass es geklappt hat», ist Professor Kälin, der mit seinem Gutachten einen wesentlichen Beitrag geleistet hat. Er räumt aber ein, dass Kompromisse geschlossen werden mussten. So hätte der Rat ursprünglich grosses Gewicht als neues UNO-Hauptorgan neben dem Sicherheitsrat erhalten sollen. Daraus wurde nichts, der Rat wird ein Unterorgan der Generalversammlung. Zudem hätte eine Zweidrittelmehrheit für die Aufnahme von Staaten, die Menschenrechte verletzen, eher von deren Einsitz im Rat abgehalten als die absolute Mehrheit.

Dass die Grossmächte auch im neuen Rat versuchen werden, ihre Macht auszuspielen, sei kaum zu vermeiden, sagt Kälin. Doch das Abstimmungsergebnis in New York habe gezeigt, dass sich auch mächtige Länder bisweilen nicht immer durchsetzen.

www.tagblatt.ch Georg Farago 18.03.2006

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