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18.3.06

Geliebte Venus: Ursula Andress wird siebzig

Wenn es eines Beweises bedürfte, dass sich die Kraft des Kinos nicht aus der Kunst allein speist, dann ist es die Karriere von Ursula Andress. Manchmal genügt es auch, zur rechten Zeit am rechten Ort aufzutauchen, um den Sehnsüchten einer ganzen Generation Ausdruck zu verleihen.

So geschah es 1962, als Ursula Andress im weissen Bikini und einem Messergürtel in «James Bond jagt Dr.No» als Muscheltaucherin mit dem schönen Namen Honey aus den Fluten auftauchte: ein athletischer Körper, hohe Wangenknochen, volle Lippen und das nasse Haar nach hinten gedrückt, die Geburt einer kinematographischen Venus, aber vor allem der Urknall für eine Spezies, die man heute Supermodel nennt. Ursula Andress ist die Urahnin der Bond-Girls, um deren Besetzung fast so ein Aufstand veranstaltet wird wie um den Darsteller des Geheimagenten, aber kaum eine hat so davon profitiert wie die Schweizer Blondine, die als erste Bondine in die Geschichte einging.

Nur die halbe Wahrheit

Wie so oft im Film ist das, was man sieht, nur die halbe Wahrheit. Andress musste für die Dreharbeiten mit Make-up nachgebräunt werden, und ihre Schnittverletzungen von den scharfkantigen Korallen mussten ebenfalls überschminkt werden. Weil ihr Schweizer Akzent zu stark war, wurde sie später auch noch synchronisiert. Der Wirkung ihres Auftritts konnte das nichts anhaben, und so zehrte sie ein ganzes Jahrzehnt, wenn nicht ein Leben lang von dem Umstand, als Sechsundzwanzigjährige zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen zu sein.

Wenn man eins von sieben Kindern ist und aus dem Kaff Ostermundigen im Kanton Bern stammt, dann bleibt man entweder, wo man ist, oder der Ehrgeiz trägt einen weit weg. Mit siebzehn floh sie mit einem italienischen Schauspieler, kehrte zurück, ging nach Paris, dann nach Rom, wo sie als Model arbeitete, und debütierte in «Die Abenteuer des Giacomo Casanova». Sie lernte Marlon Brando kennen, der ihr einen Vertrag bei Columbia besorgte, hatte eine Affäre mit James Dean und heiratete 1957 John Derek, dessen spätere Ehefrauen Linda Evans und Bo Derek durchaus an die Schweizerin erinnerten.

Weisse Göttin der Kannibalen

Nach «Dr. No» spielte sie an der Seite von Elvis Presley, Dean Martin, Marcello Mastroianni und Jean-Paul Belmondo, tauchte mit Peter Sellers in «What's New, Pussycat?» auf und war auch in der Bond-Parodie «Casino Royale» zu sehen - noch wichtiger waren aber womöglich die Schlagzeilen, in denen sie auftauchte, an der Seite von Warren Beatty, Ryan O'Neal oder als späte Mutter mit ihrem fünfzehn Jahre jüngeren Lebensgefährten Harry Hamlin. Da trugen ihre Filme Titel wie «Weisse Göttin der Kannibalen» oder «Wilde Betten - Lippenstift-Tigerinnen».

Es ist eben nicht leicht, eine Ikone zu sein. Aber als solche wurde sie von Matthew Barney in «Cremaster 5» und Clemens Klopfenstein in «Die Vogelpredigt» besetzt. Da spielte sie die Mutter Gottes. Zu ihrem Geburtstag am Sonntag genügt es zu wissen, dass sie vom Kino zur rechten Zeit geliebt wurde wie nur wenige andere.

http://www.faz.net Michael Althen 18.03.2006

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