Klee
Ein Telegramm aus Weimar.
Frohe Nachricht aus Weimar: Klee wird Lehrer am Bauhaus. | Foto: zentrum paul klee «Diesseitig bin ich gar nicht fassbar.» Das Berner Kleezentrum setzt ein Fragezeichen hinter den bekannten Satz. Mit dem hier erstmals ausgebreiteten Archivbestand erklärt eine Ausstellung Paul Klee von der Geschichte seines Lebens her. Neben den Bildern stehen für diesmal in Schauvitrinen die Requisiten und Dokumente der Vita. Wo überall war er, was nahm er wahr, wem begegnete er? Klee der Leser, der Briefschreiber und Arbeiter im Atelier, der Reisende, der Katzenfreund, der Kollege, Vater, Ehemann, Musiker ... «Diesseitig bin ich gar nicht fassbar.» Wenn einer das so sagt, sagt das viel über ihn. Doch die Ausstellung sucht Erklärung von einer andern Seite.
Am Anfang stehen Container mit Büchern aus der Bibliothek des Künstlers. 1200 Bände lagern im Kleezentrum. Ein knapper Einblick: Literatur (vom Nibelungenlied bis Flaubert), musikhistorische Schriften, Kunstbände: Bredius’ Verzeichnis der Rembrandt-Gemälde, Meier-Graefes «van Gogh», Carl Einsteins «Negerkunst»... Dann diverses Arbeitsgerät: ein Set Bürsten und Siebe, Pigment in Gläsern und Tüten, Zeichenfedern, Pinsel. Ein Episkop, das er sich bauen liess.
Der junge Klee, der ein Kunststudium in München abbricht, sucht die Nähe zur Natur und doch auch die Distanz des Satirikers. Lange schwankt er zwischen Kunst und Musik. Aus München zurück bei den Eltern in Bern, verdient er sich ein Zubrot als Geiger. Die liebe Geige – Mailand, 18. Jahrhundert – liegt da hinter Glas. Lily Klees Flügel hat einen schönen Platz im Saal. «Musizierender Weise» habe man sich kennengelernt, erklärt der Ehemann. Mit Lily ist Klee dann wieder in München (1906). München bringt ein paar Jahre später die grosse Wende. Stichwort Blauer Reiter. Im Kopfhörer ist Felix Klees Stimme zu hören. Der Klee-Sohn (geboren 1907) erinnert sich. Gern ging er zu Wassily Kandinsky nach nebenan zum Malen. Und wie die Familie Klee die Farben des Russen bewunderte! Später, nach dem Krieg, als man sich in Weimar wiedersah, da waren die Klees ein wenig enttäuscht, was aus den Farben geworden war. Sagt Felix.
Die Zeit am Bauhaus dann also. Am 29. Oktober 1920 erreicht Klee das Telegramm aus Weimar. «Lieber verehrter Paul Klee ...» Klee war Meister in der Kaderschmiede der Moderne geworden. An seiner eigenen Arbeit geht das pädagogische Denken nicht spurlos vorbei. Das ist in Bern dokumentiert, wie auch Klees Spuren, die sich in Schülerarbeiten einzeichnen. Und schliesslich auch Klees Affinität zu einer anderen Kunst, abseits aller Lehre – einer ganz unwillkürlichen Kunst-ohne-Kunst. Sorgsam, als wären es die eigenen, archiviert er die farbigen Blätter des kleinen Felix, die allerdings auch verraten, dass der schon weiss, was der Vater so macht.
Zwei Gedankenstränge – rationaler Bildverstand und reiner Impuls – suchen Formen der Verknüpfung. Erste Bücher über Klee erscheinen. 1921 Wilhelm Hausensteins «Kairuan oder die Geschichte vom Maler Klee». Jene Tunisreise von 1914 war unlängst Gegenstand der grossen Themenschau «Auf der Suche nach dem Orient». Die Ausstellung jetzt lässt den Maler überhaupt als passionierten Reisenden sehen. Reisen beflügeln seine Bildfantasie, Reiseerfahrungen beeinflussen sein Sehen nachhaltig. Wie 1902 der Besuch im Aquarium in Neapel, mit seinen bizarren Unterwasserwelten. Und, wie man sieht, auch sehr direkt – in Bildern wie «Bei Taormina» oder «Meer hinter Dünen».
Als der Maler einmal nicht zurückkam
Der Malerei und Zeichnung ordnen die Vitrinen Postkarten und Mitbringsel zu: Muscheln, getrocknete Pflanzen. 1927 will der Meister dann aus dem Urlaub gar nicht mehr ans Bauhaus zurück. Ein Brief wird von da an ihn abgeschickt. Seit drei Wochen sei man bei der Arbeit. Säumigkeit ein schlechtes Vorbild. Der Mahnung, sich unverzüglich einzufinden, fügt sich ein gewichtiger Block von Unterschriften bei. Kandinsky, Moholy-Nagy, Albers und so weiter.
Eine Ausstellung vor einigen Jahren machte deutlich, wie direkt Klee 1933 auf Zeitgeschichte und Schickalsschläge reagiert. Klee – jetzt Professor in Düsseldorf – ist Angriffen der Nazis ausgesetzt und wird im April fristlos «beurlaubt». Für Verunsicherung und Wut sucht er sich zeichnend ein Ventil. Wie anders, innerlich distanziert, hatte er noch auf den Ausbruch des Ersten Weltkriegs reagiert. Die grafischen Notate des Jahres ’33 sind von einer ungewohnten nervösen Flüchtigkeit und Rauheit. Seine Bildmetaphern sehr lesbar. Ein «Gelehrter» trägt einen nur noch ganz blass schimmernden Kopf. Satire des Schreckens ist das «Lumpengespenst». Und mit der Emigration Ende 1933 in die Schweiz, ins Land seiner Herkunft, ist die Krise nicht bewältigt. Der Ausbruch seiner Krankheit (Sklerodermie) bringt 1936 die Arbeit fast zum Erliegen – bevor sie sich, im Blick auf das Ende, zu beispielloser Dynamik steigert.
Angst bleibt Thema. Die Krankheit ist eins. Und das Deutschland, das hinter ihm liegt. Düsternis ist selbst im Licht der «Insula dulcamara». Doch im winterlichen «Park bei Lu.» spriesst ein Pflänzchen Hoffnung. Drohende Verzweiflung kontert Klee mit dem Florett seines Witzes. Aus den widrigen Lebensumständen zieht er den grössten Profit für seine Arbeit. Ganz begriffen hat man die freilich nicht, nur wenn man die Umstände erläutert. Das behauptet auch keiner in Bern.
Und hat ihn die Nachwelt begriffen, die ihn vergöttert? Die Verwendung für Nippes und Design-Produkte – subsumiert unter der Überschrift «Nachleben» – degradiert den Schöpfer nun jedenfalls selbst zum Designer seiner Bildideen. Der «Paukenspieler» aus dem Todesjahr 1940 als nettes Teppichmuster, Kleefische auf Kissenbezügen, Klee auf Tapeten, Vasen, T-Shirts. Was das Kleezentrum alles sammelt.
www.badische-zeitung.de 28.10.2009
Zentrum Paul Klee, Bern
Paul Klee. Leben und Nachleben
19.9.2009 – 24.5.2010 Di bis So 10–17 Uhr
Ausstellungsraum EG
www.paulkleezentrum.ch
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