Grün wird zum Motor der Linken
Berner Wahlen bestätigen landesweiten Trend: Rot-grüner Vormarsch in Parlamenten und Regierungen
Das gab es bisher noch nie: Mit dem rot-grünen Erfolg in Bern stellt die Linke neu gleich in vier Kantonsregierungen die Mehrheit. Sie wächst somit nicht nur in den Legislativen, sondern auch in den Exekutiven. Der Motor dabei sind die Grünen.
Es hätte der Auftakt für eine «bürgerliche Wende» sein sollen, als Ende 2003 mit Christoph Blocher und Hans-Rudolf Merz zwei Hardliner in den Bundesrat gewählt wurden. Doch zumindest bei den Wahlen ist davon inzwischen nichts mehr zu spüren. Das zeigte sich erneut am Wochenende in Bern: Einmal mehr jubelt die Linke, während die Bürgerlichen Wunden lecken müssen.
Urbanität stärkt Rot-Grün
Dass SVP und FDP ihre Mehrheit in der siebenköpfigen Berner Kantonsregierung verloren haben, hat für den Politologen Hans Hirter zum einen mit «taktischen Fehlern» zu tun. «Die Wähler goutierten es nicht, dass die Bürgerlichen sechs Sitze anstrebten und die Linke marginalisieren wollten.» Zum anderen bestätigen die Berner Wahlen für Hirter, was seit einiger Zeit schweizweit zu beobachten ist: In den Städten und Agglomerationen ist Rot-Grün zusehends mehrheitsfähiger. «Je urbaner und städtischer die Schweiz ist, desto stärker wird die Linke», sagt der Berner Politologe.
Vormarsch in den Exekutiven
Dieser Trend zeigt sich nicht nur in den grösseren und mittleren Städten, wo die Linke in den Exekutiven immer besser vertreten ist, sondern auch in den Kantonsregierungen. Nach Basel-Stadt, Neuenburg und Genf ist Bern nunmehr der vierte Kanton, der eine rot-grüne Regierung hat. Im nächsten Jahr folgt womöglich als fünfter Kanton auch die Waadt: Nach den Erfolgen von Rot-grün auf kommunaler Ebene wird dort mit einer rot-grünen Wende in der Regierung gerechnet. Nicht ganz auszuschliessen ist zudem, dass auch Zürich 2007 kippt und ein «linker» Kanton wird.
Dass die Linke von der Wählerschaft vermehrt als exekutivtauglich eingestuft wird, widerspiegelt sich auch in den Veränderungen bei den kantonalen Regierungsmandaten (siehe Grafik). SP, Grüne und CSP sind heute mit 44 Sitzen in den Exekutiven (rund 30 Prozent) repräsentiert und haben sich damit gegenüber früher klar verbessert: 1995 etwa verfügten sie erst über 33 Mandate. Damals hielten die Bürgerlichen mit FDP, CVP, SVP und Liberale noch 132 (heute 105) oder 80 Prozent der Sitze in den Regierungen. Verloren haben seither vorab FDP, CVP und Liberale. Die SVP dagegen konnte ihre Regierungsvertretung ausbauen – allerdings nur um drei auf 18 Sitze. Das ist wenig angesichts dessen, dass sie heute stärkste bürgerliche Kraft ist.
Darin liegt denn auch der Unterschied zwischen der SVP und der Linken: Der SVP gelang es zwar, in den Kantonsparlamenten massiv zuzulegen, sie blieb in den Exekutiven aber meist draussen. Das linke Lager dagegen gewinnt auf allen Ebenen: in den Regierungen wie in den Parlamenten.
Grüne Überraschung
Der eigentliche Motor sind dabei nicht die Sozialdemokraten, sondern die Grünen. Seit 1995 haben sie ihre Repräsentation in den Kantonsexekutiven von drei auf acht ausgebaut. Und in den kantonalen Legislativwahlen sind sie die einzige Partei (siehe Kasten), die trotz Verkleinerung vieler Parlamente über mehr Sitze verfügt als noch Anfang 2004. So steigerte sie ihre Mandatszahl seither von 141 auf 174. «Grün ist für liberal gesinnte Bürgerliche und parteipolitisch heimatlos gewordene Freisinnige inzwischen eine Alternative», sagt Hans Hirter. «Sie gelten gleichermassen als unverbraucht und regierungsfähig.»
Wie hoch wachsen die Bäume?
Der bürgerliche Block gerät somit von zwei Seiten unter Druck: Zur Rechten kann er trotz SVP nicht mehr wachsen, weil die Partei dort, wo sie 30-Prozent erreicht hat, Mühe zeigt, die Wähler zu halten. Und der bürgerlichen Mitte droht, Wähler an die Grünen und an die EVP zu verlieren.
Die Linke blickt somit zuversichtlich ins Wahljahr 2007. Hirter allerdings warnt: «Die Bäume wachsen auch für die Linke nicht in den Himmel.» Die Schweiz bleibe ein Land mit einer «satten bürgerlichen Mehrheit».
www.tagblatt.ch Walter Langenegger 11.04.2006
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