Punk-Ikone und Mode-Queen
Düsseldorf ehrt Vivienne Westwood mit einer Retrospektive
In der alternativen Londoner Modeszene war sie bereits eine Legende, als sie 1981 mit ihrer «Piraten»-Kollektion die Welt der Laufstege eroberte: die 1941 geborene Vivienne Westwood. In einer schicksalshaften Begegnung hatte die Primarlehrerin und künftige Wegbereiterin der Punk- Mode 1965 den damals 18-jährigen Kunststudenten und Revoluzzer Malcolm McLaren kennen gelernt, um bald darauf - wie David Bowies «Ziggy Stardust» - die platinblonde Provokation zu spielen. Sie und McLaren tauften ihre mit zerschlissenen und obszön bedruckten T-Shirts bekannt gewordene Boutique an der Kings Road 1974 um in «Sex» und forderten mit Leder- und Latex-Outfits das gesellschaftliche und kulturelle Establishment ebenso heraus wie mit der von McLaren formierten Punkband Sex Pistols. Für ihre schrägen Kreationen holte sich Westwood Anregungen auf Londons Strassen, nur um gleich darauf von den Punks, die sich die teuren Sicherheitsnadeln- und Bondage-Klamotten nicht leisten konnten, und bald auch von der etablierten Modewelt kopiert zu werden.
Kleider blieben für Westwood ein Mittel zur Gesellschaftskritik, auch nachdem sie sich von McLaren getrennt hatte und Mitte der achtziger Jahre dank dem Mini-Crini - einer Mischung aus Minirock und Krinoline - zur Göttin der englischen Modeszene aufgestiegen war. Das zeigt etwa das respektlose, 1989 im «Tatler» publizierte Bild «This woman was once a Punk», mit dem Westwood, wie Maggie Thatcher angezogen, auf die Täuschung durch Kleider aufmerksam machen wollte. Doch mehr noch als der Thatcher- Look waren ihr die Kapricen der Modegeschichte Inspiration, wie 1997 ihre phantastische Selbstinszenierung als Elizabeth I. für die «Five Century ago»-Kollektion bewies. Bis heute ist ihre oft als untragbar bezeichnete, von historischen Vorbildern, traditionellen Stoffen und unorthodoxen Schnitten geprägte Mode näher bei der künstlerischen Performance als beim Design.
Wenn nun am Eingang zur grossen Düsseldorfer Westwood-Retrospektive - einer aktualisierten Version der Londoner Schau von 2004 im Victoria & Albert Museum (NZZ 17. 4. 04) - die Uhr wie in ihrem Kings-Road-Geschäft rückwärts läuft, soll dies wohl heissen, dass Westwood stets anders tickt. Schon Anfang der achtziger Jahre antwortete sie auf eine männlich harte Damenmode mit einer neuen Romantik. Und ausgehend von Rokoko-Träumen, verstand es die neben der «schockierenden» Schiaparelli wohl exzentrischste Modekünstlerin immer wieder, mit Korsetten, Reifröcken, Culs de Paris, verrückten Hüten und atemberaubend hohen Schuhen ihr Motto «Fashion is about Sex» zu demonstrieren, ohne aber die Frau zum Objekt zu machen. Damit ebnete sie John Galliano und Alexander McQueen, den englischen Grossmeistern der mittleren Generation, das Terrain.
Auch wenn die jüngst von Königin Elizabeth geadelte Dame Vivienne, die heute Samstag ihren 65. Geburtstag feiern kann, neuerdings hochgeschlossen und stilvoll ergraut statt leicht geschürzt und rot geflammt über Mode und Gesellschaft philosophiert, sind ihre Kreationen so frech und schön wie eh und je: etwa die an die siebziger Jahre erinnernden Bondage-Abendkleider oder die duftigen, mit Petticoats unterfütterten Miniröcke der «Exhibition»-Winterkollektion 2005/06. Sie bilden neue Höhepunkte in einem Rausch der Farben und der Formen, welcher derzeit das Düsseldorfer NRW-Forum in ein Reich der Sinne verwandelt.
www.nzz.ch Roman Hollenstein 08.04.2006
Bis 14. Mai im NRW-Forum Düsseldorf. Katalog: Claire Wilcox: Vivienne Westwood. Nicolai-Verlag, Berlin 2005. 225 S., Euro 34.90.
3 Kommentare:
Ihr Blog finde ich sehr Interessant.
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11:31 AM
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
9:25 AM
Ich finde Ihren Artikel auch sehr interessant! Sehr informativ!
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9:25 AM
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