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20.1.06

Greenpeace entführt einen toten Wal

Spektakuläre Aktion vor der japanischen Botschaft in Berlin - Nun kommt das Tier ins Meeresmuseum

Der Mann im Anzug mit dem Funkgerät in der Hand entpuppt sich als Angestellter der japanischen Botschaft in Berlin. Er schaut auf den rotgefärbten Schneematsch vor dem Botschaftsgelände. «Ich bin überrascht», sagt er, «mehr darf ich nicht sagen.» Bis vor wenigen Minuten hatte an der blutverschmierten Stelle ein Sattelzug gestanden mit einem toten Finnwal, 17 Meter lang und 20 Tonnen schwer, eingepackt in Planen, so dass nur noch die Schwanzflosse sichtbar war.

Umweltaktivisten von Greenpeace hatten den Kadaver nach Berlin und vor die japanische Botschaft transportiert. Mit dem toten Tier protestierten sie gegen den japanischen Walfang. Japan will in dieser Saison 935 Zwergwale töten und zehn Finnwale. Greenpeace fordert, den Walfang vollständig zu verbieten.

Der Protest von Greenpeace, der kaum mehr als zwölf Stunden dauerte, zog die Massen an: Touristen, Familien, Schulklassen und viele Medienleute wollten sich die Attraktion ansehen und blockierten dabei die Tiergartenstrasse. Der Verkehr staute sich, Taxifahrer waren verärgert. Ebenso die Japaner, deren Botschaft - wie nicht anders zu erwarten - die Aktion kritisierte: «Der Walfang zu Forschungszwecken, den Japan durchführt, richtet sich nach den Bestimmungen des internationalen Walfangabkommens», sagte Botschaftssekretär Kazuya Otsuka. Eine Demonstration vor der Botschaft sei eine unangenehme Situation.


Nachdem die Polizei die Diplomaten über die bevorstehende Greenpeace-Aktion informiert hatte, habe man versucht, sie zu verhindern. Erfolglos. Die Berliner Polizei erteilte ihre Genehmigung, weil die «Würde der japanischen Botschaft nicht gefährdet sei». Sympathie für die Umweltaktivisten bekundete Berlins Innensenator Erhardt Körting (SPD). «Unsere Aufgabe ist es auch, solche Versammlungen zu ermöglichen.» Ähnlich sah das der Passant Heinz Böhnke, der sich ausdrücklich als «Japan-Freund» bezeichnete: «Die Japaner sind sehr sympathisch, aber der Walfang, das ist ein Schwachpunkt von ihnen.»

Offiziell betreibt Japan den Walfang zu Forschungszwecken. Für Greenpeace ist das jedoch nur ein vorgeschobener Vorwand: «Wenn die Japaner meinen, Wale für die Wissenschaft töten zu müssen, lügen sie und verheimlichen den kommerziellen Hintergrund der Jagd», sagte eine Greenpeace-Aktivistin. Vielmehr würden die Wale noch an Bord zerlegt und für den japanischen Delikatessen-Markt zubereitet, wo ein Kilogramm Walfleisch umgerechnet bis zu 300 Euro koste.

Für ihren Protest haben die Umweltaktivisten keinen Aufwand gescheut und die Gelegenheit genutzt: Der Finnwal stammt aus Warnemünde, wo er einige Tage zuvor tot aufgefunden wurde. Vermutlich hatte sich das Tier auf Nahrungssuche verirrt. Unter dem Vorwand, den Finnwal zur Vermessung zu einer Spezialfirma nach Berlin zu bringen und dann in das Meeresmuseum Stralsund, fischten die Umweltaktivisten den toten Riesen erst mit einem 220-Tonnen-Kran aus dem Wasser, was erst beim zweiten Versuch gelang. Dann wickelten sie das Tier in Planen ein und brachten ihn auf einem Sattelzug nach Berlin. Erst nachdem der aufsehenerregende Protest gestern Mittag zu Ende ging, brachten die Umweltaktivisten den Wal zurück an die Ostsee, damit er in Stralsund seziert wird.

Auch die Bundespolitik meldete sich zu Wort. Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsbundestagsfraktion, Katharina Reiche, betonte, der internationale Walschutz müsse weiter gestärkt werden. «Im Vordergrund steht die Durchsetzung eines konsequenten Walfangverbotes.» Bereits 1982 hatte die Internationale Walfangkommission (IWC) ein unbefristetes Walfangmoratorium beschlossen; seit 1986 ist es in Kraft. Um dieses Fangverbot zu umgehen, sagt die Gesellschaft zum Schutze der Meeressäuger (GSM), haben Island und Japan ihren Walfang als Wissenschaft deklariert. Angeblich töteten Japan, Island und Norwegen seit 1986 mehr als 28'100 Wale.

www.welt.de
Jean François Tanda 20.01.2006


1 Kommentare:

Anonymous Anonym said...

einfallsreiche Aktion :-)
echt zum schiessen!

9:52 PM

 

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